Scarpetta Factor - Thriller
den verschiedenen Eindrücken ablenken ließ.
»Ich weiß nur, was in die Rückseite aus Stahl eingraviert ist.« Scarpetta klang ernst und abgehetzt. »BioGraph.« Sie buchstabierte es noch einmal. »Und eine Seriennummer. Vielleicht kann die übliche Software, die das Internet durchkämmt, nichts damit anfangen. Wie bei einem Virus: Wenn man nicht weiß, was man sucht, findet man es nicht.«
»Das ist nicht mit einer Anti-Virus-Software zu vergleichen. Meine Suchmaschinen verwenden keine Software. Ich führe Open-Source-Suchen durch. Und ich kann deswegen nichts über BioGraph entdecken, weil nichts darüber im Netz steht. Es wurde nichts veröffentlicht. Weder auf schwarzen Brettern noch in Blogs, Datenbanken oder sonst irgendwas.«
»Bitte nicht hacken«, sagte Scarpetta.
»Ich nutze nur die Schwachstellen in operierenden Systemen.«
»Ja, und wenn du durch eine nicht abgeschlossene Hintertür in ein fremdes Haus spazierst, ist es auch kein Hausfriedensbruch.«
»Jedenfalls wird BioGraph nirgendwo erwähnt, sonst wäre ich schon darauf gestoßen.« Lucy hatte nicht vor, sich auf ihre übliche Debatte einzulassen, dass der Zweck die Mittel heiligte.
»Das kann ich mir einfach nicht vorstellen. Es handelt sich um eine Hightech-Uhr mit USB-Anschluss, die man mit einem Ladegerät aufladen muss. Sicher war sie ziemlich teuer.«
»Ich finde sie aber nicht, ganz gleich, ob ich unter Uhren oder unter technische Geräte nachschaue.« Lucy beobachtete, wie die Ergebnisse über den Bildschirm liefen, während ihreneuralen Netz-Suchmaschinen eine Unzahl von Schlüsselwörtern, Texten, Dateien, URLs, Titeln, E-Mails und IP-Adressen durchgingen. »Ich entdecke hier nichts, was der Uhr, die du beschrieben hast, auch nur entfernt ähnlich sieht.«
»Man muss doch irgendwie in Erfahrung bringen können, womit wir es zu tun haben.«
»Es klappt nicht, genau darauf will ich ja hinaus«, entgegnete Lucy. »Es existiert keine BioGraph-Uhr oder ein Gerät, das dem Ding an Toni Dariens Handgelenk entspricht. Ihre BioGraph-Uhr gibt es nicht.«
»Was soll das heißen?«
»Dass sie im Internet, im Kommunikationsnetzwerk oder überhaupt im Cyberspace nicht vorkommt. Mit anderen Worten: Virtuell ist sie nicht vorhanden«, antwortete Lucy. »Wenn ich mir das Ding mal anschauen könnte, würde ich vermutlich erkennen, was es ist. Insbesondere falls du recht hast und es sich tatsächlich um einen Datenträger handelt.«
»Das geht erst, nachdem das Labor damit fertig ist.«
»Mist, pass bloß auf, dass die nicht mit Hammer und Schraubenzieher daran herumfuhrwerken«, meinte Lucy.
»Sie wird nur auf DNA untersucht. Die Polizei hat bereits versucht, Fingerabdrücke abzunehmen. Nichts. Bitte richte Jaime aus, dass sie mich anrufen soll, wenn es ihr passt. Hoffentlich amüsiert ihr euch gut. Entschuldige, dass ich gerade keine Zeit zum Reden habe.«
»Ich sage es ihr, wenn ich sie sehe.«
»Ist sie denn nicht bei dir?«, wunderte sich Scarpetta.
»Der Fall Hannah Starr und jetzt auch noch das hier. Jaime ist ziemlich beschäftigt. Gerade du müsstest das ja kennen.«
Lucy hatte nicht das Bedürfnis, ihr Privatleben zu erörtern. »Hoffentlich hatte sie einen schönen Geburtstag.«
Darüber wollte Lucy auch nicht sprechen. »Wie ist das Wetter bei euch?«
»Kalt, windig und bedeckt.«
»Ihr werdet noch mehr Regen und nördlich der Stadt möglicherweise auch Schnee kriegen«, erwiderte Lucy. »Gegen Mitternacht klart es aber auf, weil sich die Schlechtwetterfront abschwächt, während sie in eure Richtung zieht.«
»Ihr beide bleibt doch, wo ihr seid?«
»Wenn ich den Hubschrauber nicht anwerfe, besorgt sie sich einen Hundeschlitten.«
»Ruf mich an, bevor ihr startet, und sei bitte vorsichtig«, sagte Scarpetta. »Ich muss jetzt los und mit Toni Dariens Mutter reden. Du fehlst mir. Wir sollten unbedingt bald zusammen essen gehen oder etwas unternehmen.«
»Klar«, meinte Lucy.
Sie beendete das Telefonat und stellte das YouTube-Video wieder lauter. Mick Fleetwood drosch noch immer auf sein Schlagzeug ein. Mit beiden Händen auf den MacBooks, als spiele sie ein Keyboardsolo in einem Rockkonzert, klickte sie die E-Mail an, die gerade für Hannah Starr eingegangen war. Warum schickte man jemandem eine E-Mail, der verschwunden oder vielleicht sogar tot war? Lucy fragte sich, ob Bobby Fuller, Hannah Starrs Mann, wohl so dumm war, nicht daran zu denken, dass die New Yorker Polizei und die Staatsanwaltschaft todsicher Hannahs
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