Schattennächte: Thriller (German Edition)
über ihn, in der Gegend werden keine jungen Mädchen vermisst. Aber Lauren Lawton rückt mir jede Woche von Neuem auf die Pelle und will mir erklären, wie ich meine Arbeit zu machen habe.«
Auf seinem Gesicht erschien ein Ausdruck der Verwunderung. »In letzter Zeit hat sie sich allerdings zurückgehalten. Ich hab schon eine ganze Weile nichts mehr von ihr gehört. Ist sie gestorben oder was?«
»Sie ist nach Oak Knoll gezogen«, sagte Mendez.
Neri lachte hysterisch und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Klasse. Dann habt ihr sie jetzt an der Backe. Mein Beileid, Kollegen.«
Mendez runzelte die Stirn. Es war nicht so, dass er sich nicht vorstellen konnte, wie penetrant Lauren Lawton war. Aber sie hatte ja auch allen Grund dazu. Sie kämpfte für ihre Tochter. Das schien ihr niemand zugestehen zu wollen. Oder genauer gesagt, man wollte ihr nur eine gewisse Zeit dafür zugestehen, danach sollte sie gefälligst Ruhe geben und sich verziehen.
Zuerst Tanner und jetzt dieser Blödmann.
»Wohnt Ballencoa noch hier?«, fragte er schroff.
Neri sah ihn nicht an. »Ja.«
»Wirklich?«
»Als ich das letzte Mal nachgesehen hab, war’s noch so.«
»Und wann war das?«
»Wie schon gesagt: Es ist eine Weile her, dass ich was von Mrs. Lawton gehört habe.«
»In Ihrer Stadt läuft ein Mann herum, der bekanntermaßen Kindern nachstellt, und Sie halten es nicht für nötig, ihn im Auge zu behalten, bis ein Bürger aus einer anderen Stadt kommt und Sie mit der Nase darauf stößt?«, fragte Mendez und bemerkte, dass er wütend wurde.
»Wir haben ihn im Auge behalten, als er hierherzog«, verteidigte sich Neri. »Wir sind so oft bei ihm vorbeigefahren, dass er uns mit einer Klage gedroht hat. Ballencoa kam als freier Mann hierher, und in den vergangenen zwei Jahren hat er nichts getan, was daran etwas hätte ändern können. Wir können ihm nicht ohne jeden Grund auf Schritt und Tritt folgen.«
»Wann haben Sie ihn das letzte Mal gesehen?«, fragte Hicks.
Neri rutschte auf seinem Stuhl hin und her, ihre hartnäckigen Fragen waren ihm sichtlich unangenehm. »Vor ein paar Monaten. Er hatte einen Stand auf der Poly-Royal-Kunstausstellung. Er ist Fotograf und hat seine Fotos verkauft.«
»Was für Fotos?«
»Keine Ahnung«, sagte Neri mit einem genervten Seufzer. »Naturaufnahmen. Häuser. Die Mission. Kinder auf Ponys. Wen interessiert’s?«
Mendez knirschte mit den Zähnen. Ein Mann, der Kindern nachstellte, machte Fotos von Kindern auf Ponys, und dieses Arschloch dachte sich nichts dabei.
»Wann war das?«, fragte er.
»Im April«, antwortete Neri. »Hier gab’s drei Tage lang Randale, falls es Ihnen entgangen sein sollte. Über hundert Festnahmen, hundert Verletzte – darunter fünfzehn Kollegen.«
»Es gab Randale bei einer Kunstausstellung?«, fragte Mendez, nur um Neri zu ärgern. Jeder in diesem Staat hatte wie gebannt die Nachrichten verfolgt, als eine Stadt, in der es für gewöhnlich so geruhsam zuging, dass sie Schnarchstadt genannt wurde, drei Tage lang von Unruhen erschüttert wurde. »Wie geht’s denn bei Ihnen zu?«
»Es hatte nichts mit der Kunstausstellung zu tun. Sondern mit dem Tag der offenen Tür am Cal Poly.«
»Es gab Unruhen wegen einer offenen Tür?«, fragte Hicks, sich ebenfalls dumm stellend.
Neri hob resigniert die Hände. »Das liegt an diesem Poly Royal. Ein bescheuertes Festival. Nehmen Sie ein paar Tausend besoffene Studenten, ein paar Störenfriede von außerhalb und noch ein paar Hundert besoffene Wanderarbeiter …«
»Ach so«, sagte Mendez, »die Chilifresser. Die sind ja dauernd besoffen und benehmen sich daneben.«
»Das habe ich nicht gesagt!« Neri sah Hicks an. »Was ist denn mit dem los?«, fragte er und deutete mit dem Daumen auf Mendez.
Hicks zuckte ungerührt mit den Schultern.
»Sie haben Ballencoa also im April zum letzten Mal gesehen«, sagte Mendez. »Kurz vor den hundert Festnahmen. Das war vor drei Monaten. Was machen Sie hier eigentlich? Jeden Tag einen Bericht schreiben? Sie haben keine Zeit, um mal um den Block zu fahren und nachzusehen, ob Ihr ortsansässiger Kindesentführer da ist oder nicht?«
»Ich hab’s schon mal gesagt«, erklärte Neri. »Wir haben weder die Leute noch einen Grund, einen gesetzestreuen Bürger zu beobachten, der nur darauf wartet, uns zu verklagen. Und das war Ballencoa, seit er hierhergezogen ist: gesetzestreu.«
»Wenn Sie meinen«, sagte Mendez und stand auf.
»Haben Sie seine derzeitige Adresse?«, fragte
Weitere Kostenlose Bücher