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Schiffe versenken

Schiffe versenken

Titel: Schiffe versenken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Chisnell
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Ich hielt inne und dachte daran, wie der Lastwagen meinen Rückspiegel ausgefüllt hatte, an das Hupen und an die ansteigende Panik. Und an dieses sanfte »Wump«. Das muss die Explosion gewesen sein, die das Feuer ausgelöst hatte. »Es war nicht meine Schuld … ich meine, der andere hatte definitiv den Fehler gemacht. Niemand weiß, dass ich überhaupt dort war … und in jedem Fall ist nicht zu beweisen, dass es meine Schuld war. Ich hab ihn geschnitten, er hat die Kontrolle verloren und überreagiert …« Ich stoppte, holte tief Luft und schaute wieder auf, aber die grauen Augen waren kalt. »Achtzehn Menschen sind gestorben. Einige von ihnen sind verbrannt, in einem Kleinbus. Es hat am nächsten Tag in der Zeitung gestanden.«
    Das Bier war an der Tischkante angelangt und tropfte langsam auf mein Bein. Ich betrachtete, wie ein weiterer Tropfen fiel. Der braune Fleck breitete sich langsam über den ausgebleichten Jeansstoff aus. Irgendwo fand ich in mir doch genug Interesse daran, um mich zu bewegen. Ich veränderte meine Sitzposition und blickte auf.
    »Und ?«
    »Und … ?« Ich schluckte. »Und achtzehn Menschen sind gestorben und …« Die Worte verpufften. Ich setzte erneut an. »Ich glaube nicht … ich meine … Scheiße.« Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte keine Worte dafür. Ich starrte ihn an, aber da war nichts in diesen grauen Augen, kein Vorwurf, kein Mitgefühl. Vielleicht, und nur vielleicht, ein wenig Neugier.
    Ich zog schniefend einen tiefen Atemzug durch die Nase und wischte mir mit dem Handrücken über den Mund. Warum tat ich das ? Aber als ich erst einmal angefangen hatte, konnte ich nicht mehr aufhören. »Wochenlang habe ich mich danach dabei erwischt, wie ich es immer wieder gemacht habe, Leute geschnitten, sie nicht einfädeln lassen, ich bin wie ein richtiges Arschloch gefahren. Es war, als ob … war ich immer so gefahren ? Oder wollte ich erwischt werden, damit alles rauskommt ? Da war beinahe so etwas wie Schuldgefühl. Scheiße, ich meine, ich weiß ja, dass es nicht meine Schuld gewesen war, aber …« Ich hob das Glas und starrte in das bernsteinfarbene Glühen. Ich trank. »Ich habe angefangen zu trinken. Eine Menge. Hab Ärger in meinem Job bekommen. Ich war Devisenhändler bei einer großen Londoner Bank. Und ich war gut, habe eine Menge Geld verdient. Aber ich habe nachgelassen und dann gab es da einen Deal …«
    Ich schauderte leicht, als ich mich wieder an diesen Tag erinnerte. Der Streit mit Jo in jener Nacht, und wie ich am Morgen danach um kurz vor zehn völlig abgewrackt im Büro aufgekreuzt war. Dann diese »Das-schmerzt-mich-mehr-als-es-Sieschmerzen-wird«-Rede meines Chefs. Ich konnte mich immer noch an den Geruch von Macht und Geld erinnern, der in diesem Büro aus dem Holz, dem Leder, dem Wollzwirn strömte. Das alles hätte mir gehören können. Meine Sekretärin hatte mir danach einen Kaffee gebracht. Niemand sonst kam auch nur in meine Nähe. Die Nachricht hatte sich verbreitet. Ich war erledigt. Gefährlich. Ein Versager. Abgang.
    Ich schluckte den Rest des Drinks. Mittlerweile war ich abgestumpft, und die Flüssigkeit hatte ihre feurige Wirkung verloren, aber ich hatte sowieso nicht mehr viel zu sagen. Ich lallte mit hohler, leerer Stimme weiter. »Ich hab den Job verloren, dann die Freundin.« Ich lächelte schwach. »Erst war das Geld weg, dann sie. Scheiß auf sie. Ich vermisse sie nicht. Ich hab ’ne Tasche gepackt und ein Flugzeug hierher genommen. Bangkok hat mich umgehauen. Jemand hat mir von den Inseln erzählt, ich hab mich in einen Bus gesetzt und seitdem häng ich hier rum.«
    Ich schaute ihn an. Keine Regung, keine Reaktion. Ich starrte wieder in das Glas und beobachtete, wie ein letzter Tropfen Alkohol zurück auf den Boden kullerte. Aber es war ein großer Fehler, nach unten zu schauen. Alles begann sich zu drehen, und ich spürte den heißen Anfall von Übelkeit. Ich schluckte, kämpfte mich auf die Beine und stolperte rückwärts. Ich glaube, ich schaffte es noch auf die Veranda, bevor ich kotze.
     
     
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