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Schillerhoehe

Schillerhoehe

Titel: Schillerhoehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Schaewen
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Handy schnau­ ben würde, wenn er ihr die Hiobsbotschaft mitteilte. Aber er tröstete sich damit, dass ihnen noch der Sams­ tagabend blieb. Dann würde er eben einen Tag spä­ ter mit ihr ins Restaurant gehen und sie anschließend noch mit einem Theaterbesuch überraschen. Es kam nur darauf an, ihr die kleine Terminverschiebung scho­ nend beizubringen.

    Luca Santos betrat gegen 19.50 Uhr den Schlosskel­ ler. Er hatte am Nachmittag mit Julia telefoniert. Sie war wie erwartet aus allen Wolken gefallen. Fast stot­ternd erzählte er ihr von dem Abendtermin. Es gehe nicht anders, dringende Bitte des Chefs, kranker Kol­ lege – er mochte noch so jammern, Julia reagierte sauer, wie immer in diesem Sommer, wenn er gemeinsame Pläne kurzfristig absagte. Luca schlug ihr zum Trost vor, mit ihm gemeinsam die Lesung von Erika Scharf zu besuchen. Sie bestand jedoch darauf, in Tübingen zu bleiben. Er solle nicht versuchen, sie wieder auf seine Termine zu zerren. Luca hingegen wollte ihr mit sol­ chen Angeboten einen Gefallen tun, und diesmal war er überzeugt, ihr etwas durchaus Interessantes zu bie­ ten. Julia studierte Germanistik, und gemeinsam hatten sie einmal ein Seminar über die Literatur in Ostdeutsch­ land besucht. Es gelang ihm dann doch noch, sie für einen späten Absacker im Café Provinz in Marbach zu gewinnen. Die Nacht würden sie in der kleinen Dach­ wohnung bei Julias Eltern in Erdmannhausen verbrin­ gen. Luca hatte sich dort für die Dauer seines Prakti­ kums einquartiert. Freilich mochte Julia die Rückkehr ins heimische Nest überhaupt nicht. Ihre Zweifel zer­ streuten sich jedoch im Laufe des Sommers, zumal ihre Eltern, beide Lehrer am Marbacher Friedrich­Schiller­ Gymnasium, die Besuche zwar mit Interesse, aber ohne übertriebene Neugierde tolerierten.

    Im Schlosskeller traf Luca Santos sofort auf Erika Scharf. Sie stand bei einer Gruppe, in der er den Kulturamtsleiter Fabian Rösler bereits von Weitem erkannte. Rösler galt als kreativer Kopf der Marbacher Verwaltung. Er trug ein grelles hellgrünes Hemd. Seine blank polierte Glatze verlieh ihm eine weltmännische Aura. Rösler unterhielt sich angeregt mit Siegfried Derwitzer, einem Marbacher Selfmade­Autor, der bei Lesungen immer anzutreffen war und sich dabei meistens so stark betrank, dass seine Stimme deutlich herauszuhören war.
      Erika Scharf hatte sich von den beiden Männern abgewandt. Sie stand, gekleidet in einem einfachen, aber elegant wirkenden dunkelvioletten Kostüm, da, und wartete mit angespanntem Gesichtsausdruck auf ihren Auftritt. Der Mann neben ihr blickte nervös auf die Uhr. Das musste ihr Ehemann Dietmar Scharf sein, vermutete Santos. Scharf war in der deutschen Litera­ turszene über Nacht fast genauso bekannt geworden wie die Frau, die er überallhin begleitete, regelte er doch für sie das Geschäftliche. Luca erkannte neben ihm den ziemlich steif wirkenden, ältlichen Sven Dollinger, den Leiter des Deutschen Literaturarchivs, einer Einrich­ tung, die in Marbach kurz ›das Archiv‹ genannt wurde. In dem Institut wurden die Nachlässe von renommier­ ten Schriftstellern aufbewahrt.
      Luca Santos kannte von all diesen Personen nur Fabian Rösler näher. Mit ihm hatte er sich hin und wieder am Rande von Presseterminen unterhalten. Rösler mode­ rierte die Kulturveranstaltungen im Schlosskeller. San­ tos hatte für den Marbacher Kurier schon öfter von dort berichtet. Es überraschte ihn, dass Fabian Rösler jetzt so tat, als kenne er ihn nicht. Eigentlich bin ich als Journa­ list für das Gelingen dieses Abends nicht wirklich wich­ tig, tröstete er sich. Er hätte allerdings gerne Erika Scharf begrüßt. Ein Wunsch, den er sich selbst erfüllte.
      »Herzlich willkommen in Marbach, Frau Scharf.«
      Santos verbeugte sich umständlich vor der Schrift­ stellerin, errötete und reichte ihr schüchtern die Hand. Er fühlte sich nicht ganz wohl in seiner Haut, aber wenn er sein Ziel erreichen wollte, musste er auf sie zugehen. Erika Scharfs Gesicht entspannte sich bei den freundli­ chen Worten des jungen Mannes etwas. Endlich wachte auch der Kulturbeamte Rösler auf.
      »Darf ich vorstellen: Herr Santos vom Marbacher Kurier. Er wird sicherlich über Ihre Lesung bei uns berichten.«
      »Ach ja?«
      Erika Scharf hielt ihr Lächeln, es wirkte jedoch nicht mehr ganz so natürlich. Mochte sie keine Journalis­ ten? In einem Artikel der Frankfurter Umschau hatte Luca gelesen, dass die Scharf

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