Schmerzgrenze
machen einen Menschen zugleich aber auch besonders verletzlich. Drohende oder tatsächliche Trennungen, die einem Menschen gegen den eigenen Willen widerfahren, sind ein erstrangiger Auslöser für Aggression bis hin zu schweren Gewalttaten. Deshalb sollte allen Beteiligten eines Trennungsprozesses daran gelegen sein, begleitende Demütigungen zu vermeiden und alles zu tun, was den Trennungsschmerz abmildern kann.
Die Aggression ist ein soziales Regulativ, sie soll uns zur Verfügung stehen, wenn wir uns wehren müssen. Die Rolle als Korrekturfaktor zur Beseitigung einer Störung kann die Aggression jedoch nur dann spielen, wenn sie ihre Aufgabe als kommunikatives Signal erfüllt. Dies bedeutet, sie muss
für den Adressaten verständlich sein. Eine Voraussetzung dafür ist, dass sie sich verbaler Mittel bedient. Aggression, die ihren kommunikativen Auftrag erfüllt, ist konstruktiv, andernfalls ist sie destruktiv und begünstigt das Entstehen von Gewaltkreisläufen.
Wer körperliche oder seelische Verletzungen durch andere erlitten hat, sollte für sich keine Opferrolle kultivieren, sondern eine Reaktion zeigen und sich der fälligen Auseinandersetzung stellen (dabei kann die vermittelnde Hilfe Dritter notwendig sein). Dort, wo Konflikte zu einem destruktiven Aggressionskreislauf zu werden drohen, hilft oft nur eine frei gewählte Trennung vom Gegner. Ein weiterer, bedeutender Ausweg aus nicht lösbar erscheinenden Konflikten ist die Vergebung 364 (sie ist jedoch eine nicht allen geschenkte Fähigkeit).
Politische Perspektiven
Eine Reflexion der politischen Bedeutung dessen, was Neurobiologen zur Aggression zu sagen wissen, bedeutet keine illegitime Invasion der Biologie in politisches Terrain. Diese Invasion hat schon lange stattgefunden. Rassistische Konzepte, die Unterscheidung von Menschen mit »guten« und weniger guten Genen, »Aggressionstrieb« und »egoistische Gene«: Diese seit Beginn des 20. Jahrhunderts nach und nach aus der Biologie in die Politik getragenen Konzepte hatten immense politische Auswirkungen. »Aggressionstrieb« und »egoistische Gene« sind Theorien, die â obgleich sachlich unhaltbar 365 â perfekt in das derzeitige globale Wirtschaftssystem eines ungebremsten Raubtierkapitalismus passen.
Ausgrenzungserfahrungen sind nicht nur im privaten Umfeld möglich, sie können auch Teil des gesellschaftlichen Zusammenlebens sein. Länder ohne demokratische Strukturen grenzen bereits durch diesen Mangel groÃe Teile ihrer Bevölkerung aus. Aber auch in Demokratien kann es, z. B. wenn sie ausschlieÃlich repräsentativ funktionieren wie in Deutschland, zu einem Mangel an Partizipation kommen. Besonders starke Ausgrenzungserfahrungen ergeben sich in einem Land jedoch aus der konkreten Ungleichverteilung von Chancen. Insbesondere Armut im Angesicht von Wohlstand anderer ist eine Ausgrenzungserfahrung ersten Ranges.
Dem Gesetz der Schmerzgrenze folgt nicht nur das Verhalten einzelner Personen, sondern auch das »Verhalten« einer Gesellschaft als Ganzes. Arme Länder zeigen höhere Gewaltspiegel. Vor allem korreliert die Ungleichverteilung von Vermögen und Einkommen innerhalb eines Landes mit der Gewaltbereitschaft seiner Bevölkerung. Länder mit hoher Ungleichverteilung haben nicht nur höhere Homizidraten, auch die Gesundheit der Bevölkerung ist hier stärker beeinträchtigt. Gerechtigkeit ist für eine Gesellschaft die beste Gewaltprävention.
Der wichtigste Ausweg aus innergesellschaftlicher Benachteiligung ist die Bildung. Bessere Bildung ist zugleich Gewaltprävention 366 . Die Solidargemeinschaft eines Landes sollte gröÃte Anstrengungen unternehmen, Bildungsangebote bereitzustellen, die auch von »bildungsfernen« Milieus genutzt werden können. Doch auch die Benachteiligten selbst sind gefordert. Keine Gesellschaft hat die Ressourcen, jeder bildungsfernen Familie einen Sozialarbeiter an die Seite zu stellen. Daher sollte die Solidargemeinschaft ein starkes Signal an diejenigen senden, die aufgefordert sind, vorhandene
Bildungsangebote zu benutzen und sich den Anstrengungen langer Bildungswege zu unterziehen. Erziehung ihrer Kinder zur Bildungsbereitschaft sollte den Eltern in allen gesellschaftlichen Schichten ein erstrangiges Anliegen sein.
Internationale Perspektiven
Zu den wichtigsten Reizen für Gewalt und kriegerische Auseinandersetzungen auf der
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