Schneenockerleklat
können, dann …«
Westphal gewährte Palinski fast eine Minute, ehe er Sir
Frederick Swanhouse richtig verhaftete und abführen ließ.
Dafür, aber auch für Marios Show, gab es Applaus aus dem
Publikum.
Ja, sogar Gundi Vollan hatte schlussendlich freundliche Blicke
für den begnadeten Spinner übrig und steckte ihm klammheimlich ihre
Visitenkarte zu.
Am nächsten Morgen
Am nächsten Morgen war die Welt am Semmering
wieder völlig in Ordnung. Wärmend tasteten sich die ersten Strahlen der Sonne
über die beeindruckende Vorderfront des ›Semmering Grand‹. Dieser wunderbaren
großen alten Dame, die wieder einmal eindrucksvoll bewiesen hatte, dass sie
nichts aus der Contenance bringen konnte. Aber schon gar nichts.
Ein ganz besonderes Hotel, mehr als 100 Jahre alt, mit Charme,
sehr viel Herz und Seele sowie einem gleichermaßen eleganten wie auch
dynamischen Körper unter der historischen Fassade.
Hier hatten schon immer Menschen geliebt, betrogen, gestohlen
und ihr Leben gelassen und würden es zweifellos auch in Zukunft tun.
Aber es lag eben in der menschlichen Natur, sich weniger an
Mord und Totschlag zu erinnern als an schöne, lustige Momente oder beglückende
Ereignisse.
Daher würde sich auch das, was von dieser hektischen Woche in
den Köpfen der Menschen Bestand haben sollte, vor allem auf das einprägsame
Faktum reduzieren, dass die besten Schneenockerln eigentlich Dukatenbuchteln
mit Vanillesoße waren.
Und ein Eklat eine durchaus fröhliche Angelegenheit sein
konnte.
Palinski lag in einem Bett und genoss es ungemein. Nach fünf
Nächten entweder unterwegs oder im Fauteuil in der Hotelhalle war es ein
unbeschreibliches Gefühl, hier so neben Wilma zu liegen, ihre Hand zu halten
oder auch etwas anders. Und sich gleich darauf wieder umdrehen und
weiterschlafen zu können. Es war herrlich und Mario wieder versöhnt mit der
Welt.
Auch das Böse, das ihm in den letzten Tagen einige Male
gefährlich nahe gekommen war, und damit das doch etwas ambivalente Gefühl, war
weg. Er fühlte sich sicher und geborgen wie selten zuvor.
Natürlich wusste Palinski, dass sich das rasch wieder geben
konnte. Aber egal, jetzt wollte er es uneingeschränkt genießen.
Falls Vorkommnisse wie jene der letzten Tage ein Gutes
hatten, dann das, dass man das Selbstverständliche, Alltägliche wieder zu
schätzen lernte und die Freude daran erneuerte.
Während Mario und Wilma sich im dritten Stock des ›Semmering
Grand‹ an der Normalität einer mehr als 26 Jahre ohne Trauschein bestens
funktionierenden Beziehung erfreuten, saß das 27-jährige Zimmermädchen Silvia
Bogenbach, die eigentlich Silva Homolay hieß, in ihrem Personalzimmer und
trauerte um Stefan. Gleichzeitig überlegte sie, wie sie ihrer Cousine Eva
helfen konnte, die gestern verhaftet worden war.
In der Hand hielt sie ein Medaillon, wie auch die anderen
eines gehabt hatten. Aus Altsilber, mit einem korallenroten H und einem
stilisierten mittelalterlichen Torturm. Dem aus Komorn.
Gut, das Medaillon, das Eva zuletzt getragen hatte, war eine
Kopie gewesen. Eine sehr gut gelungene, allerdings eine Spur größer als das
Original. Dieses hatte ihr die dumme Frau, die Eva partout keinen Job im
›Semmering Grand‹ hatte verschaffen wollen, im Streit vom Hals gerissen.
Klar, dass ihre Cousine das nicht so hatte hinnehmen können.
Wie gut, dass nicht auch sie verhaftet worden war.
Das verdankte Silva zweifellos dem Umstand, dass sie fast ausschließlich
hochgeschlossene Kleidung trug. Blusen, Pullover, T-Shirts, alle schlossen oben
am Hals ab, sodass man das Ketterl mit dem Anhänger nicht sehen konnte.
Für Silva gab es viel zu tun. Rache zu nehmen für
den Tod Stefans und das Schicksal Evas. Allerdings hatten die Objekte ihres
Hasses, die Ziele ihrer Rache gewechselt.
Dieser Peter Mühlsalm war ja endlich tot, dank der
unerwarteten Hilfe eines englischen Sirs. Silva hatte sich fast angemacht vor
Freude, als sie heute Morgen in den Nachrichten davon gehört hatte. Es gab ja
doch noch eine ausgleichende Gerechtigkeit.
Nun hieß es eben nicht mehr, Rache für Budapest, sondern für
die Schweinereien der letzten Tage zu nehmen. Und da drängten sich einige
Kandidaten auf.
Angefangen mit dem Kerl, der den Anhänger Evas gefunden
hatte, und seinen Chef, bis hin zu diesem Herrn Wichtig, diesen Baschinkis oder
wie er sich nannte.
Jetzt, da sie ein klares Ziel vor sich hatte, fühlte sich
Silva
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