Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Selige Witwen

Selige Witwen

Titel: Selige Witwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
Vom Netzwerk:
verbergen. Sein mädchenhaftes Gesicht verzog sich nur wenig; bestimmt hatte er als Kind - noch ohne das Ziegenbärtchen - wie ein Barockengel ausgesehen. Am besten gefielen mir seine dichten, langen Wimpern.
    Er sei müde und werde ebenfalls hier übernachten, schließlich müsse er am morgigen Sonntag nicht arbeiten, sagte er. Dann könne er uns nach dem Frühstück das Anwesen bei Tageslicht zeigen und uns anschließend zurück nach Florenz, bis vor die Haustür, fahren. Jedenfalls wünsche er eine gute Nacht. Mit diesen Worten, einem Kuß für Cora und einer flüchtigen Umarmung für mich, verzog er sich in eines der Schlafzimmer.
    Als wir ihn los waren, schlug Cora vor, endlich den Pool zu testen. Es war eine besonders helle Nacht, so daß wir auf dem gepflegten Rasen den Weg gut finden konnten.
    Zu unserer Enttäuschung war das Schwimmbad abgedeckt, und es gelang uns nicht, die automatische Aufrollung der Plastiklamellen in Gang zu bringen. Nackt, wie wir inzwischen waren, wurden wir unerwartet von einem Scheinwerfer angestrahlt. Dino hatte die Außenbeleuchtung eingeschaltet und erschreckte uns wie Faun die Nymphen. »Ihr müßt diesen Schlüssel nach rechts drehen«, sagte er mit listiger Hilfsbereitschaft, trat an eine Steinmauer, hob den Schutzdeckel einer Steckdose hoch und zeigte uns den verborgenen Schlüssel.
    Durch die Zauberkraft des elektrischen Stroms wickelte sich die Abdeckung langsam, geräuschlos und stetig wie bei einer Sardinenbüchse auf und gab das Wasser frei. Es war angenehm temperiert.
    Zu dritt schwammen wir ein paar Runden. »Bevor er vor Geilheit platzt«, sagte Cora, »sollten wir ihm eine kleine Lehre erteilen!«
    Ich hatte wenig Lust, den hübschen Jungen leiden zu sehen, wußte auch nicht genau, was sie im Schilde führte.
    Wahrscheinlich wollte sie ihn mit meiner Hilfe so lange unter die Wasseroberfläche tunken, bis er Todesangst bekam.
    »Er hat uns bis jetzt überhaupt nicht zu berühren gewagt«, sagte ich. »Was heißt uns«, behauptete sie, »ich hatte bereits die Ehre.«
    »Wenn er jetzt abdampft, sehen wir hier in der Pampa ganz schön alt aus«, sagte ich.
    Cora hatte ein Einsehen. Nach dem Schwimmen schickte sie den abgekühlten Dino mit autoritärer Stimme ins Bett, und er verschwand ohne Widerrede.
    Als ich wach warde, war es noch sehr früh. Ich verließ das Ehebett und die schlafende Cora, zog Slip und T-Shirt an und huschte auf die Terrasse. Der Blick verschlug mir fast den Atem. Wie im Paradies, dachte ich, der schönste Teil der Welt liegt zu meinen Füßen: die Toskana. Grüne Berge vereinigten sich in der Ferne mit dem ersten Graublau des Himmels.
    Mein Blick schweifte über Weinberge und Bauernhöfe, deren Einfahrten von Zypressen gesäumt waren; die Luft war würzig, von einem leichten Wind belebt, denn das Haus lag erhöht.
    Der im Tau schimmernde Rasen forderte meine Füße geradezu heraus, barfuß durch das Gras zu wandern. Das Licht war noch ganz weich, doch die Sonne verhieß einen heißen Tag. Was hatte Cora gestern von Kaufen gesagt? Im Duft der Rosen, umgaukelt von Schmetterlingen, stellte ich mir Bela vor, wie er unbesorgt in einem Garten voller Wunder herumspringen konnte.
    Einzig der Pool konnte zum Problem werden. Ich durfte meines kleinen Sohnes wegen die Abdeckung nur dann entfernen, wenn wir gemeinsam baden wollten. Konnte Bela zur Sicherheit schon mit dem Schwimmenlernen beginnen oder war er noch zu klein?
    Unter welchen Umständen war eigentlich der ehemalige Besitzer verunglückt? Und war ein derart abgelegenes Haus nicht gefährlich für zwei junge Frauen? Nun, mit Cora an meiner Seite brauchte ich weder Tod noch Teufel zu fürchten.
    Plötzlich fröstelte ich und beschieß, wieder ins warme Bett zu kriechen und noch ein Stündchen zu schlafen, denn es war erst kurz vor sieben.
    Mein Platz war besetzt. Neben oder besser gesagt auf Cora lag Dino, ob von ihr herbeigelockt oder aus eigener Initiative, war mir nicht ganz klar. Jedenfalls waren sie im Augenblick zu beschäftigt, um mich überhaupt wahrzunehmen.
    An ähnliche Situationen gewöhnt, griff ich mir wortlos die Wolldecke, die vom Bett geglitten war, und kuschelte mich im Wintergarten in einen Liegestuhl. Zum Schlafen war ich allerdings nicht mehr in der Lage. Ich fühlte mich ausgeschlossen. Anscheinend amüsierten sie sich auf meine Kosten, denn ich hörte immer wieder meinen Namen und gleich darauf fröhliches Gelächter. War es meine äußere Erscheinung, die mit Coras blendender

Weitere Kostenlose Bücher