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September. Fata Morgana

Titel: September. Fata Morgana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Lehr
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Nachflimmern der Erinnerung an die spiegelnde Wüste die mich so friedlich oder nachgiebig stimmt oder
    es ist einfach nur dieses offene junge Gesicht das mich an meine Kinder erinnert an Jasmin bevor ich sie nach Paris schickte und an Muna die nicht mehr studieren kann und missmutig zuhause Brot bäckt es ist
    ein seltsames weiches Zerfließen der Grenzen das
    uns befreien könnte (denke ich oder denkt
    etwas in mir)
    haben wir es falsch gemacht? fragt das Mädchen beharrlich und sanft
    ja – vieles
    dann müssen wir es anders machen man kann alles anders und besser machen als zuvor
    nicht unbedingt alles sage ich (immerhin) noch es geht mir anscheinend darum gewisse Grenzlinien zu halten gewisse Trennwände (dünne Membranen wenigstens) bestehen zu lassen in diesem Verflimmern und Ineinanderfließen der Dinge und der Ideen über die Dinge gewiss kannman alles so optimistisch betrachten wie dieses Mädchen es ist eine Frage des Standpunktes
    wo war etwas
    und wo war es nicht
    der Ort von dem aus man die Geschichte erzählt (Green Zone) könnte entscheidend sein für ihren Verlauf
    was denken Sie fragt die junge Frau
    wir
    sage ich endlich (weil sie mich so gespannt ansieht)
    WIR müssen es besser machen

 
    Muna
     
    Sami kam nicht nachhause in dieser Nacht er hat sich nicht entschuldigt keine Nachricht hinterlassen meine Mutter war schreckensbleich und blieb auf bis nach Mitternacht während Tarik und Onkel Fuad ihr einzureden versuchten dass so etwas bei einem Neunzehnjährigen schon einmal vorkommen könne aber es hörte sich unaufrichtig an
    falsch wie dieser fürchterliche Brief der mein Herz frisst ich traue nicht einmal der Schrift obwohl Du sehr erregt gewesen sein musst als Du versuchtest mich mit diesen zehn Zeilen in den Abgrund zu stoßen vorgestern bist Du ein Sufi gestern willst Du wieder einmal schiitischer Mullah werden heute Morgen
    traf mich der Ruf des Muezzin
    mitten in einem Traum in dem es so finster war und still dass ich glauben musste ich läge aufgebahrt in einem Mausoleum und hochschreckend gab es für mich nur einen einzigen Grund ins Leben zurückzukehren nämlich
    meinen Bruder zu retten
    im Dunkeln
    suchte ich
    hastig panisch
    mein Schwert aber man sah nicht das Geringste die Zeit drängte es schien noch finsterer zu werden das große Schwert musste ganz in der Nähe stehen oder liegen es war ungeheuer scharf ich musste zugleich schnell und vorsichtig in der Finsternis tasten immer auf den Kontakt mit der Breitseite dem Griff oder Knauf hoffen anstatt mit der Klinge die augenblicklich ins Fleisch schneiden würde jetzt drang durch die Mauern des Grabes auch schon der Lärm eines Kampfes mein Bruder
    sah aus wie Du das
    wusste ich dachte ich in der Nacht dieses Traums aus dem mich der Muezzin riss um mich in die Finsternis unserer Familiensorgen zu stoßen ich hätte gleich aufstehen sollen um nachzusehen ob Sami doch noch heimgekommen wäre aber die Müdigkeit war zu groß oder war es eine Böswilligkeit von mir wollte ich ihn gar nicht suchen oder mich wenigstens bei der Suche nicht beeilen
    die Wut
    musste aber doch Dich treffen Dein kurzer eiskalter Brief ist so arrogant wie die Mullahs die an den am Boden knienden Betern einer Moschee erhobenen Turban-Kopfes vorüberschreiten (aber einmal sah ich einen gewöhnlichen alten Mann der mit einer empörten Armbewegung einen Mullah verscheuchte der zwischen ihm und der Wand hindurchschreiten wollte) auf wen soll ich noch wütend sein wo lehnt mein Schwert ich sollte
    Kasim töten natürlich ich möchte
    schreien vor Wut und Ohnmacht und ich möchte schlafen bis ans Ende aller Dunkelheit entführter? Bruder gefolterte Schwester mörderischer Schwager FEIGER
    Geliebter ich
    glaube es nicht das Schwert
    gehört
    Semiramis
    die Babylon nicht erbaute aber der es zugeschrieben wurde die größten Königinnen
    hat es nie gegeben
    Schwester es heißt dass die Königin sich für ihren (häufigen) nächtlichen Bedarf einen Mann aus dem Heer nahm und ihn am nächsten Morgen köpfen ließ dann war sie wie Udai (sagte Huda einmal) wie Saddams perverser Sohn der sein verdientes Schicksal gefunden hat
    läge doch Huda neben mir statt Miral und wäre Eren an Saras Stelle mit solchen Schwestern ertrüge ich noch mehr Nächte in einem engen Zimmer aber auch das ist vermutlich eine Illusion der
    Griff des Schwerts fühlt sich erstaunlich rund und gefällig an er vibriert es
    sind ja zwei Griffe und
    wieder sitze ich auf dem Sattel eines der roten

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