Sister Sox
ging wieder in die Küche und kam mit einem nassen Schwamm zurück. Nun wischte er ein wenig um die Gläser herum, bemerkte, dass es ein Provisorium blieb, stellte Gläser und Flaschen wieder zurück, platzierte das Tablett vorläufig auf dem Sofa und säuberte den Tisch gründlich. Jetzt war aber alles nass, deshalb verschwand er noch einmal, kam mit einem grünen Frotteehandtuch zurück und polierte damit die Tischplatte. Das Handtuch war offenbar ohnehin für die Wäsche bestimmt, und so sparte er es sich, ein frisches Tuch zu beflecken. Ich merkte, dass das eine saudumme Idee gewesen war, mit ihm hochzugehen. Schon beim Zuschauen wurde man bei diesem Menschen wahnsinnig. Es wurde ein schnelles Bier, und auch Rübl war dankbar, dass ich mich wieder verabschiedete.
Ich ging nach unten in meine Wohnung. Rübl schaltete, so hörte ich noch, den Fernsehapparat ein. Ich sperrte auf und freute mich, endlich wieder in meinen eigenen vier Wänden zu sein. Die gute Nachricht war zudem, dass es im Kühlschrank noch Prinzenkeks und Eistee gab. Außerdem reichlich Tabak. Ich machte mir ein schönes Tellerchen und setzte mich hinaus in den Hof. Von oben durchs offene Fenster hörte man Rübls Fernseher. Dazu unartikulierte Schreie. Ich wusste ja, dass er alleine war. Wahrscheinlich war er von dem Geschehen im Film so erregt, dass er mitschreien musste.
Auch draußen in der angenehmen Kühle fand ich keine Ruhe. Es nagte in mir, ich überlegte herum. Ich dachte, ich sollte, bevor ich mich weiter herumquälte, die Sache lieber anOrt und Stelle klären. Also holte ich mein Fahrrad heraus und fuhr nach Thalkirchen hinunter. Neun Uhr abends war schließlich noch keine Zeit.
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Ich fuhr gleich hinüber zu den Flaucheranlagen, dort unter den Bäumen zu radeln war angenehm kühl. Hinter der Thalkirchner Brücke beginnt die Zentralländstraße. Am gleichnamigen Kanal landen auch heute noch Flöße, die von Wolfratshausen herunter kommen. Was da an der Anlegestelle vom Floß gezerrt wird, ist ein derangierter, heillos betrunkener Haufen gröhlender Leute, die fassweise Bier vernichtet haben, wie gern mit viel Har! Har! angemerkt wird, und nun – sofern sie keinen Filmriss haben – mit einem unvergesslichen Erlebnis gesegnet nach Hause torkeln. Gleich gegenüber befindet sich ein Ausschank in sozialistischer Tradition, der Garten der Naturfreunde, in dem Biergenuss in freier Natur als Quelle der Erholung gemeinsam erkundet und angeeignet wird. Nur wenige hundert Meter weiter befindet sich der Flößerhof . Ich stellte mein Rad ab, kaufte mir eine Maß an einer der Buden draußen und setzte mich auf eine der Holzbänke. In einem Teil des Lokals, kenntlich an den blauweiß gedeckten Tischen, wurde bedient, im anderen, in dem ich saß, holte man sich Essen und Trinken selbst oder verzehrte Mitgebrachtes.
Konzentriert schaute ich auf das fröhliche Treiben, ummir einen Reim darauf zu machen, was die Italiener mir mit dem Hinweis auf dieses Lokal sagen wollten. Was mir durch den Kopf ging, war so banal wie die Meldungen in der Rubrik Vermischtes einer Tagezeitung: Das Leben ist schön. Viele Mädchenbäuche sind reizend, manche weniger. Der Förster aus dem Silberwald würde heute noch in keinem Münchner Biergarten auffallen. Ohne BH sieht man keine Frau mehr, mit Krawatte so manchen Mann. Das statistische Mittel des Brustumfangs bei jungen Frauen hat seit den fünfziger Jahren stetig zugenommen, wahrscheinlich ist die überreichliche Versorgung der weiblichen Bevölkerung mit Zuckerprodukten dafür namhaft zu machen. Männer mögen Fleisch, aber sie mögen es nicht, wenn von ihrem Teller genascht wird.
Hin und wieder waren die derben Scherze von oberbayerischen Lederhosenmännern zu beobachten. Der eine wettete mit dem anderen um eine Tischrunde, dass dieser es nie schaffen würde, einen astreinen Kopfstand auf der Bank zu machen. Als der ohne jedes Problem in den Kopfstand ging, stand sein Kumpel auf und goss ihm das Bier in den Schritt.
Zwischen solchen Darbietungen und durchaus schönen, aber überflüssigen Gedanken schaute ich durch die Tür in das Innere des Lokals. Jetzt sah ich, dass oben an der Tür der Inhaber des Lokals aufgeführt war: Mario Spadolini. Es gehörte also den Kalabresen. Ich guckte nun aufmerksam hinein. Der Mückenvorhang aus Glasperlen, der hier in Isarnähe gute Dienste leistete, war hochgebunden, so dass ich an der Theke drinnen nur Menschen ohne Oberkörperherumlaufen sah. Dabei wippte immer wieder
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