Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sister Sox

Titel: Sister Sox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
Vom Netzwerk:
1
    Der erste Eindruck war zutreffend. Die Frau am Telefon war unangenehm. Sie hatte eine Stimme, so brüchig wie die von Tante Lisbeth. Sie redete zu viel, zu eilfertig, auf eine dienernde Weise versuchte sie mir ihre Wünsche mundgerecht zu machen. Ich habe in der Süddeutschen Zeitung ein Dauerinserat geschaltet: Haushaltsauflösungen kostenlos. Fachgerechte Entsorgung inklusive. So blieb ich im Geschäft. Ein bisschen fiel immer ab, etwas Brauchbares, manchmal sogar Rares, das sich in meinem Laden präsentieren ließ. Früher hieß er Gossecs Trödel . Inzwischen firmiere ich als Antiquitäten Gossec , denn in einer gediegenen Stadt wie München verkaufen sich gebrauchte Stücke nur noch, wenn es sich um Antikschätze handelt. Die Anruferin hatte auch keinen Haushalt zur Auflösung anzubieten, sondern nur einen Schuppen, noch dazu in der Nähe von Allershausen. Trotzdem betrieb ich aktiv Selbstüberzeugungsarbeit, malte mir eine Scheune voller antiquarischer Kostbarkeiten aus, die ich nur aufzuladen hätte, und sagte zu.
    Als ich mit meinem Mercedes-Bus dort eintraf, empfing mich an der Hofeinfahrt ein halbwüchsiger Junge, ein stämmiger Kerl in knielangen Satin-Turnhosen mit Speckbauch, der mich nach Polizistenmanier mit der Ladefläche rückwärts zu einem Bretterverschlag hin einzuwinken versuchte. Dannholte er seine Mutter, die Frau mit der Tante Lisbeth-Stimme. Schon ein kurzer Blick von der Tür aus genügte. Ein schlauer Bauer hatte sein Holzlager mit Gerümpel vollgeknallt und überlegt, wie er einen Simpel wie mich aus der Stadt herbeilocken könnte, der ihm den Krempel vom Hals schaffen würde. Ich sagte, für Sperrmüll sei ich nicht zuständig, und machte auf dem Absatz kehrt. Auf einen Schlag wurde die Frau ausfällig. Es hat keinen Sinn, mit ordinären Frauen herumzudebattieren. Wäre Tante Lisbeth Onkel Georg gewesen, hätte ich ihm eine runtergehauen. Als ich im Führerhaus meines Busses saß, merkte ich, dass etwas gegen das Blech dengelte. Der Jungpolizist bewarf mich mit Steinen. Ich startete, schlug mit der flachen Hand den ersten Gang hinein und trat das Gaspedal durch. Der Wagen machte einen Sprung, und die beiden brachten sich in Sicherheit. Ich nahm nicht den direkten Weg zur Ausfahrt, sondern querte noch ihre Petunienrabatten neben dem Kiesweg. Man ist ja nicht das Arschloch vom Dienst.
    Der schlechteste Fall war eingetreten, aber vollkommen wehrlos war ich nicht. Um den Frust abzufedern, hatte ich einen Besuch bei meinem Freund Hinnerk vereinbart, der in Unterastbach unweit von Allershausen das ehemalige Pfarrhaus bewohnt. Als sie ihm das Haus verkauften, war er noch Herr Rab. Seit sie seinen Vornamen kennen, ist er ein Außenseiter. Als würde ein Rasso Selchbeitl auf einer friesischen Insel Fuß zu fassen versuchen. Geht nicht. Auch deshalb neigt Hinnerk zu Schwermut. Vorsichtshalber lud ich noch zwei Kästen Weißbier im nächsten Getränkemarkt auf. Dann war alles gut: Freitag im August, und ein sonniges, heißesWochenende stand bevor. Wahrscheinlich hatte ich mich nur deswegen selbst reingelegt, um mir zwei Ferientage auf dem Land gönnen zu können. Kurze Zeit später saß ich auf der Terrasse, trank Weißbier, guckte hinunter auf den Astbach, der durch Felder und Wiesen mäanderte, und ließ mich von den spätsommerlich aggressiven Schnaken zerstechen. Hinnerk stiefelte im Garten herum, der sich weit bis an den Bach hinunter zog, und sammelte Holz. Er schichtete einige Arm voll neben der Feuerstelle auf. Er machte das für mich. Schon der Hominide war tief befriedigt, wenn er abends in ein flackerndes Feuer gucken konnte. Bis die Nacht heraufzog und das Glimmen und Glosen der kokelnden Glut mit einem klaren Sternenhimmel zu harmonieren begann.
    – Siehst du das, sagte Hinnerk.
    Hinnerk schob sich ständig mit dem kleinen Finger die Nickelbrille nach oben. Er schwitzte, und so glitt die Brille auf seiner feuchten Nase immer wieder nach unten. Aber das machte ihm nichts aus. Er war beschäftigt, sinnlos zwar, trotzdem muss man sich Hinnerk dabei als einen glücklichen Menschen vorstellen. Er wies auf einen Drahtzaun, der scheinbar zwecklos durch das Gelände verlief.
    – Das da, – Hinnerk zeigte auf einen Baum jenseits des Zauns –, das da ist eigentlich mein Apfelbaum.
    – Sieht nicht danach aus.
    – Vor einer Woche, Hinnerk flüsterte und zeigte auf das Nachbarhaus, hat Plattner in einer Nacht-und-Nebel-Aktion den Zaun hingestellt. Er wusste, dass ich unterwegs war.
    –

Weitere Kostenlose Bücher