Skandal im Königshaus Meisterspionin Mary Quinn 3
dem
Bericht
der Hebamme zufolge gesund und munter. Komm doch auch am
Sonntag
und sieh dir das Kindlein an.
Deine dich liebende Mama
Sie waren übereingekommen, einen einfachen Code zu verwenden: Jedes elfte Wort nach der Anrede bildetedie Instruktionen der Agentur. Was sie herauslas –
Abruf, wenig Gefahr, Bericht Sonntag
–, war höchst überraschend und irritierend.
Die Agentur rief ihre verdeckten Ermittlerinnen selten zurück. Wenn doch, dann meistens, weil den Agentinnen Gefahr drohte: Ihre Tarnung war aufgeflogen oder es gab ein unvorhergesehenes und unbe rechenbares Risiko. Die Botschaft sprach aber ausdrücklich von »wenig Gefahr«. Warum gestattete man ihr dann nicht, zu bleiben und weiter zu ermitteln?
Ein eher demütigender Gedanke drängte sich ihr auf: Vielleicht hatten ihre Mentorinnen, Anne Treleaven und Felicity Frame, die Geduld mit ihr verloren, weil sie nach fünf Wochen immer noch keine Ergebnisse geliefert hatte. Mary war zu vernünftig, um zu glauben, dass dies an ihr lag. Es hatte keine weiteren Diebstähle gegeben; niemand sprach hinter vorgehaltener Hand darüber; niemand hatte sich verdächtig verhalten. Und doch war sie beschämt, dass sie rein gar nichts herausgefunden hatte. Auf unbestimmte Weise fühle sie sich verpflichtet, Ant worten zu finden – selbst wenn sie unvollständig waren.
Oder es lag am Auftraggeber. Vielleicht vermutete man im Buckingham-Palast, dass der Dieb nach über einem Monat weitergezogen war. Ihre Majestät war bekanntermaßen sparsam. Vielleicht wurde Marys Arbeit nur noch als eine ungerechtfertigte Ausgabe angesehen. Andrerseits: Ein Dieb, der nicht ertappt worden war, zog sich selten zufrieden zurück. Daswürden Felicity und Anne Ihrer Majestät sicherlich erklärt haben.
Unwillig sah sich Mary in der spartanischen Kammer um. Sie würde diesen Ort und den langweiligen kleinen Auftrag nicht vermissen. Und sie musste nicht viel packen oder lange warten: Sie konnte darum bitten, morgen ihre »Mutter« besuchen zu dürfen, solange die königliche Familie in der Kirche war. Trotzdem, ihr Misserfolg tat weh. Vor allem, da es sich um ihren ersten offiziellen Fall handelte.
Die Türklinke klickte und sofort ging das verbale Trommelfeuer los. »Gute Güte, was für ein Abend! Was bildet sich diese Mrs Shaw eigentlich ein? Dass sie die Königin über uns Mädchen ist, findest du nicht auch? Ich war so nahe dran –« Amy machte eine heftige Geste – »so nahe dran, schwör ich dir, ihr zu sagen, wo sie sich ihren Staubwedel hinstecken soll.«
Mary verdrehte die Augen. »Wenn du es nur machen würdest.«
Amys Empörung verflog und sie kicherte. »Ha, das wäre ein schöner Anblick. Vielleicht hebe ich es mir für meinen letzten Tag auf.«
»Hast du den denn schon geplant?« Trotz Amys Redseligkeit wusste Mary nicht allzu viel über sie. Sie teilten die Kammer erst seit ein paar Tagen, nachdem sich Amy und ihre vorige Mitbewohnerin zerstritten hatten.
Amy streifte ihre Schuhe ab und zwinkerte. »Man kann doch nicht ewig in derselben Stellung bleiben. Selbst wenn sie ganz angenehm ist.«
»Ich wusste nicht, dass du so ehrgeizig bist.«
Amy lächelte breit. »Doch, doch. Mein Ehrgeiz ist es, nicht mehr Miss Tranter zu heißen, sondern Mrs Jones zu werden.«
Solch ein Bestreben war nur zu verbreitet. Mary nickte und faltete ihren Brief zusammen. Es war praktisch unmöglich, dem Thema des angebeteten Mr Jones zu entgehen.
»Was hast du da?«, fragte Amy. Ihre Stimme kam undeutlich unter dem Kleid hervor, das sie gerade über den Kopf zog. »Einen Liebesbrief?«
»Er ist von meiner Mutter.«
»Ach du lieber Gott. Interessant?«
»Nicht wirklich, aber ich muss um Erlaubnis bitten, morgen zu ihr fahren zu dürfen.«
»Ach herrje, was bist du für ein Unschuldslamm. Komm, hilf mir mal mit dem Korsett.« Während Mary folgsam begann, die Schnüre zu lösen, fragte Amy: »Warum hast du eigentlich keinen Verehrer? Du bist doch nicht hässlich.«
»Danke.«
»Du weißt schon, wie ich das meine, Dummerchen.
Willst
du keinen Verehrer? Nein, blöde Frage; jedes Mädchen will einen. Aber du musst schlau vorgehen dabei, weißt du – nicht den Erstbesten wählen. Die Lakaien und Diener hier – Zeitverschwendung, alle miteinander. Was du brauchst, ist ein feiner Herr. Jemand mit ein bisschen Klasse. Einen echten Gentleman.«
Mary nickte mechanisch. Das hatte sie schon oft zuhören bekommen – genau genommen jeden Abend, wenn sie
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