Skorpione im eigenen Saft
und trat mit dem Selbstvertrauen eines Vietcong bei der Tet-Offensive auf mich zu.
Ich zitterte.
7
Ü ber den Bürgersteig bahnt sich in Richtung Guggenheim ein Notarztwagen den Weg durch den Stau.
Während der ganzen Zeit, die ich hier sitze, hat das von diesem galizischen Holzkopf chauffierte Taxi höchstens achthundert Meter zurückgelegt, womit nichts gewonnen ist, weil wir gerade denselben Weg zurück nehmen müssen und uns vom Krankenhaus entfernen; mühsam haben wir gewendet, um die verstopfte Deusto-Brücke zu umgehen und in entgegengesetzter Richtung zu fahren.
Als wir erneut am Guggenheim vorbeifahren, kann ich nichts Ungewöhnliches auf dem Vorplatz erkennen, aber ich weiß, dass die Krankenwagen von der Rückseite heranfahren, was von hier aus nicht zu sehen ist.
Die Gran Vía, die wir überqueren müssen, ist ebenfalls verstopft, und wir kommen einfach nicht voran. Es ist, als wären wir auf dem Asphalt festgewachsen.
Jetzt bin ich wirklich zu weit weg, um den Weg bis zum Krankenhaus zu Fuß zurückzulegen. Ich hätte längst aussteigen sollen, gleich, als ich das erste Mal daran gedacht habe. Nun stecke ich in der Klemme, weil ich gewartet habe. So eine Scheiße!
Wenigstens quälen mich die Panikattacken nicht mehr; ich habe mich bereits an sie gewöhnt. Jetzt hält mich eher eine tiefe Beunruhigung gefangen, die zugleich meinen Willen lähmt; eine Art Resignation angesichts dessen, was geschehen wird, unabhängig von jeder Initiative, die ich inzwischen sowieso für nutzlos halte.
Oh, mein Gott!
Bei dem Gedanken, der mir gerade in den Kopf schießt, setzt mein Herz erneut mit einer heftigen Implosion aus.
Und wenn diese Willensschwäche von dem Gift herrührt, das bereits mein Gehirn lähmt?
Mal sehen, versuchen wir logisch zu sein. Wenn es so wäre, müsste ich bereits mausetot sein, oder wenigstens kurz davor.
Und wenn es sich genau um das Gegenteil handelt?
Gewaltsam klammere ich mich an den Gedanken, dass die bereits verstrichene Zeit seit der Einnahme des Gifts ohne schädigende Folgen so etwas wie einen Hoffnungsschimmer darstellt.
Und wenn es nichts weiter war als ein letzter Scherz – natürlich einer von der gemeinen Sorte – meines verrückten Freundes?
Doch wenn das Ganze nur ein böser Streich war, warum dann die ganzen Notarztwagen in dieser Richtung?
Vielleicht will das Museum angesichts der Prominenz der geladenen Gäste kein Risiko eingehen, und sie müssen sich lediglich um die Unpässlichkeiten empfindlicher Damen kümmern, denen der Schreck in die Glieder gefahren ist.
Vielleicht fahren die Krankenwagen ja auch ganz woanders hin. Kann sein … oder nicht? Das ist wie das mit dem Bart von Haddock über oder unter dem umgeschlagenen Laken in dem Tim-und-Struppi-Abenteuer Kohle an Bord. Ich würde mir die Fingernägel abkauen, wenn ich es nicht schon getan hätte.
Wenn ich nur herausfinden könnte, was dort vor sich geht; ich bin von der Außenwelt abgeschnitten in diesem Sarkophag auf Rädern – herrje, was für ein optimistisches Gleichnis. In dieser Notlage fällt mir mein Handy wieder ein, das bei meinem Sturz im Guggenheim zu Boden gefallen und von dem frankensteinartigen Riesenfuß dieses Gorillas vom Sicherheitsdienst mit dem Gesicht eines Steven Seagal zermalmt worden war.
» Verzeihung, haben Sie zufällig ein Mobiltelefon? «, frage ich den unsympathischen Taxifahrer. Ich mache mich auf allerlei schräge oder surrealistische Antworten gefasst.
Ich werde nicht enttäuscht.
» Mobiltelefon? Ha! «
» Was heißt hier › Ha ‹? Haben Sie eins oder nicht? «
» Natürlich hab ich eins, wie jeder andere auch. Selbs t w enn ich ein armer Schlucker wäre … So weit ist es schon gekommen. «
» Dürfte ich vielleicht einen Anruf machen? Ich bezahle selbstverständlich dafür. «
» Ach, sieh an; dann sind Sie es also, der so ein Ding nicht hat. Die paar Kröten fürs Taxi kriegen Sie aber hoffentlich zusammen … «
» Aber ja, natürlich «, erwidere ich und wundere mich, dass mir nicht langsam der Geduldsfaden reißt; nicht einmal der Heilige Franz von Assisi hätte solchen Langmut mit seinen Lämmchen gehabt. » Ich habe ein Mobiltelefon, aber es ist kaputt. Sonst würde ich Sie nicht fragen, ob ich mit Ihrem telefonieren darf … «
» Das geht nicht. Unmöglich. Es ist nämlich dort, wo es hingehört: in meiner Nachttischschublade, und nie an. Soll ich mir denn noch mehr Kosten ans Bein binden? Haben Sie eine Ahnung, wie viele Taxilizenzen es in
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