SOS am Gipfelkreuz
beiden saßen nämlich jetzt Schulter an Schulter, hörten mit geschlossenen Augen irgendwelche Songs auf Dorians iPod und teilten sich dabei den einen Kopfhörer.
Vor der Hütte sah sich Benny nach den beiden Männern um. Sie standen an der einen Ecke der breiten Holzveranda, stützten sich auf dem Handlauf ab und redeten miteinander.
Benny näherte sich, ohne dass sie ihn bemerkten.
»Mann, der hat uns morgen gerade noch gefehlt, was? Woher kennt ihr euch eigentlich?«
»Wir haben schon ein paarmal für ihn gearbeitet. Der Herr Stararchitekt spielt mit meinem Boss Golf und benimmt sich den Arbeitern gegenüber immer wie Graf Koks persönlich. Wenn er könnte, würde er auf einem Pferd über die Baustelle reiten.«
»Du tust mir echt leid. Ich bin ihn immerhin übermorgen wieder los – hoffentlich! Na ja, lassen wir’s auf uns zukommen. Ich geh dann mal wieder rein.« Als sich Annas Vater jetzt umdrehte, entdeckte er Benny nicht weit von ihnen entfernt.
»Na, hast du auch die Nase voll? Kopf hoch – morgen früh sieht die Welt schon wieder ganz anders aus.«
Nachdem er zurück in die Hütte gegangen war, standen Benny und sein Vater noch eine Weile schweigend nebeneinander. Und als sich ihre Blicke einmal trafen, wusste jeder vom anderen, was er dachte. Schließlich straffte sich Bennys Vater und zeigte auf die Bergspitzen und den bewölkten Himmel.
»Sag mal, was macht eigentlich die Wetterforschung? Hier oben ist man nah dran, was?«
Benny wurde ganz eifrig. »Ja, stimmt. Vor allem an Tagen wie heute macht es total Spaß. Hast du’s bemerkt? Als wir am Morgen losgelaufen sind, waren nur weit oben ein paar Federwolken zu sehen gewesen. Und mittags hatten sie sich fast verdoppelt. Wenn sie dann noch schnell ziehen und der Luftdruck abfällt, regnet es ziemlich bald!«
»Junge, was du alles in deinem kleinen Kopf hast. Wahnsinn. Was meinst du, kannst du mir von Zeit zu Zeit mal was erklären?«
Benny strahlte über das ganze Gesicht.
»Na klar! Weißt du was? Wir gehen rein. Ich hab mein Wetterbuch dabei. Vielleicht magst du mit mir ein paar Wolkenbilder anschauen?«
Zehn Minuten später saßen Vater und Sohn im Gastraum über dem aufgeschlagenen Buch.
»Was soll’n das sein? Wolkenbildchen? Mann, wie langweilig!«
Dorians Stimme in ihrem Rücken ließ die beiden zusammenzucken. Doch bevor ihnen eine passende Antwort einfiel, ereiferte sich Anna: »Von wegen! Benny weiß unglaublich viel über das Wetter. Er ist besser als der Wetterbericht und kann dir genausagen, was in den nächsten Stunden am Himmel passiert!«
Dorian sah Benny mit einer Mischung aus Hochmut und Neugierde an.
»Ist das wahr?«
Benny murmelte nur etwas Unverständliches vor sich hin.
»Sag’s ihm doch!«, drängte Anna.
»Und, regnet’s später noch?« In Dorians Stimme lag eine Spur Ironie.
Als Benny weiter schwieg, stupste ihn seine Freundin in die Seite.
»Jetzt sag schon, wird es heute regnen oder nicht?«
Noch zögerte Benny. Als er dann aber in Annas strahlende Augen sah, brummte er schließlich: »Ja, ziemlich sicher. Die Wolken bewegen sich sehr schnell. Außerdem ziehen sie sich seit mehreren Stunden immer dichter zusammen. Wird aber wohl noch bis nach Mitternacht dauern, bevor es regnet.«
Anna blickte Dorian voller Stolz an, als hätte Benny gerade ohne Zettel und Stift eine unmöglich lange Rechenaufgabe gelöst.
Dorian verdrehte nur die Augen und schnaubte kurz.
»Abwarten!«
Als er sich gerade abwenden wollte, hielt ihn die tiefe Stimme des Hüttenwirts zurück.
»Na, du willst wohl Meteorologe werden, was?« Der sicherlich zwei Meter große und breitschultrige Mann hatte Bennys Wetterbuch gesehen und war neugierig näher gekommen.
»Weiß nicht genau. Es macht mir einfach Spaß.«
In Dorians Augen erschien ein böses Leuchten.
»Er sagt, es würde heute Nacht regnen!«
»Regen? Nein, nein«, sagte der Hüttenwirt, »den gibt’s heut nicht mehr!«
»Aha! Toller Wetterprophet!« Dorian grinste triumphierend und vergewisserte sich, dass auch Anna alles mitbekommen hatte.
»Das Bergwetter ist schwer auszumachen. Ganz anders als im Vorland. Bist schon recht, Junge, mach nur weiter so!« Der kräftige Mann klopfte Benny auf die Schulter und verschwand dann wieder in der Küche.
In Bennys Kopf schossen die Gedanken kreuz undquer durcheinander. Eigentlich hatte der Hüttenwirt ihn ja gelobt. Aber durch Dorians höhnischen Kommentar kam er sich jetzt vor wie ein Trottel. Anna jedenfalls
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