Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802
sie ganze Wälder. Das schmerzt mich in die Seele anderer. Wenn die Österreicher es ebenso schlimm machen, so werden wir dadurch nicht besser. Wann wird unsere Humanität wenigstens diese Schandflecken wegwischen? Bei Lowositz endigen allmählig die Berge, und von da bis Eger hinauf und Leitmeritz hinab ist schönes, herrliches, fruchtbares Land, das zwei Stunden hinter Budin nun ganz Ebene wird. In Budin, einem Orte, wo allgemeine Verlassenheit zu sein scheint, traf ich bei dem Juden Lasar Tausig eine kleine Sammlung guter Bücher an und ließ mir von ihm, da er Lessings Nathan einem Freunde geliehen hatte, auf den Abend Kants Beweisgrund zur einzig möglichen Demonstration über das Dasein Gottes geben.
Prag
Von Budin bis hierher stehen im Kalender sieben Meilen, und diese tornisterten wir von halb acht Uhr früh bis halb sechs Uhr abends sehr bequem ab, und saßen doch noch über eine Stunde zu Mittage in einem Wirtshause, wo wir bei einem Eierkuchen durchaus mitfasten und dafür fünfzig Kreuzer bezahlen mußten, welches ich für einen Eierkuchen in Böhmen eine stattliche Handvoll Geld finde. Da war es in Peterswalde verhältnismäßig billiger und besser. Der Wirt zur Rose in Budin hatte ein gutes Haus von außen und ein schlechtes von innen. Eine Suppe von Kaldaunen, altes dürres Rindfleisch und ein zäher, lederner Braten von einer Gans, die noch eine Retterin des Kapitols gewesen sein mochte; noch schlechter waren die Betten; aber am schlechtesten war der Preis. Die schlechten Sachen waren ungeheuer teuer, wovon ich schon vorher unterrichtet war. Aber Muß ist ein Brettnagel, heißt das Sprichwort. Dieser Wirt ist der einzige in Budin, und mich deucht, schon Küttner hat gehörig sein Lob gesungen. Übrigens lasse ich die Qualität der Wirtshäuser mich wenig anfechten. Das beste ist mir nicht zu gut, und mit dem schlechtesten weiß ich noch fertig zu werden. Ich denke, es ist noch lange nicht so schlimm als auf einem englischen Transportschiffe, wo man uns wie die schwedischen Heringe einpökelte oder im Zelte, oder auf der Brandwache, wo ich einen Stein zum Kopfkissen nahm, sanft schlief und das Donnerwetter ruhig über mich wegziehen ließ.
In der Budiner Wirtsstube war ein Quodlibet von Menschen, die einander ihre Schicksale erzählten und hier und da, zur Verschönerung wahrscheinlich, etwas dazulogen. Einige österreichische Soldaten, Stalleute und ehemalige Stückknechte, die alle in der französischen Gefangenschaft gewesen waren, und einige Sachsen von dem Kontingent machten eine erbauliche Gruppe und unterhielten die Nachbarn lang und breit von ihren ausgestandenen Leiden. Besonders machte einer der Soldaten eine so greuliche Beschreibung von den Läusen im Felde und in der Gefangenschaft, daß wir andern fast die Phthiriase davon hätten bekommen mögen. Mir war es nunmehr nur eine drollige Reminiszenz meiner ersten Seefahrt nach Amerika, wo die Engländer uns gar erbärmlich säuberlich hielten, und wo wir, vom Kapitän bis zum Trommelschläger, der Tierchen auch eine solche Menge bekamen, daß sie das Tauwerk zu zerfressen drohten. Ein Fuhrknecht erzählte dann unter andern toll genug, wie er und seine Kameraden in Iglau neulich einige Soldaten, in einem Streit wegen der Mädchen, gar furchtbar zusammengeprügelt hätten. »
Where there is a quarrel,
there is always a lady in the case«
, dachte ich, gilt auch bei der österreichischen Bagage. Ein Soldat meinte, daß die Fuhrknechte denn doch etwas sehr Mißliches und Ungebührliches unternommen hätten, sich an den Verteidigern des Vaterlandes zu vergreifen; die Geschichte würde ihnen am Ende bitter bekommen sein. »Ei was«, versetzte der Fuhrknecht, »es waren ja nur Legioner.« »Das ist etwas anderes«, erwiderte der Soldat beruhigt, »das waren also nur Studenten und Kaufmannsjungen, die den dritten Marsch um das Butterbrot weinten wie die Hellerhuren; die kann man schon mit einer tüchtigen Tracht Schläge einweihen, um ihnen den Kitzel zu vertreiben.« In Prag registrierte uns eine Art von Torschreiber gehörig ein, gab uns Quartierzettel und schickte unsere Pässe zur Visierung auf das Polizeidirektorium. Die Herren der Polizei waren, gegen alle Gewohnheit der Klasse in andern Ländern, die Höflichkeit selbst; den andern Morgen war in zehn Minuten alles abgetan, und wir hatten unsern Bescheid bis Wien. Unsere Bekannten wunderten sich sehr über unser Glück, da man noch kurz vorher Fremden mit Gesandtschaftspässen viele
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