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Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Titel: Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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1.
    An jenem Morgen hätte mein Schwiegervater Zhao Jia nicht im Traum daran gedacht, daß er innerhalb von sieben Tagen durch meine Hand sterben würde  – ein Tod, elender als der eines alten Hundes, der seinem Herrn immer treu diente. Auch mir wäre es nie eingefallen, daß ich, als schwache Frau und selbst voller Entsetzen, mit dem Dolch in der Hand vor meinem eigenen Schwiegervater stehen könnte. Noch weniger hätte ich gedacht, daß mein Schwiegervater, der vor wenigen Monaten aus dem Nichts aufgetaucht war, sich als ein kaltblütiger Henker erweisen würde. Wenn mein Schwiegervater im langen Gewand mit kurzer Beamtenjacke darüber, die Kappe mit der roten Quaste auf dem Kopf und in der Hand die Gebetskette, den Hof auf und ab lief, hätte man ihn für einen Beamten halten können, der seinen Dienst quittiert hatte und in die Heimat zurückgekehrt war, noch eher für einen mit zahlreichen Kindern und Enkelkindern gesegneten freundlichen Großvater. Aber er war weder das eine noch das andere. Er war der Erste Scharfrichter der obersten Kammer des Justizministeriums der Hauptstadt, war das Henkersbeil der großen Qing-Dynastie, Experte im Köpfeabschlagen und in der Anwendung der grausamsten Foltermethoden der Geschichte, die er durch eigene Erfindungen kreativ bereicherte. Seit vierzig Jahren diente er dem Justizministerium, und die Zahl der Köpfe, die er hatte rollen lassen, überstieg nach seinen eigenen Worten die Zahl der Wassermelonen, die im Landkreis Gaomi in einer Saison geerntet werden.
    In jener Nacht warf ich mich so ruhelos auf meinem Kang hin und her, als wollte ich Pfannkuchen platt wälzen. Mein Vater Sun Bing war vom Präfekten des Landkreises, Qian Ding, diesem herzlosen Schuft, ins Gefängnis geworfen worden. Was immer er auch verbrochen haben sollte, war er doch mein Vater, und ich konnte vor Verwirrung und Nervosität nicht schlafen. Ich vernahm das Jaulen der zum Schlachten bestimmten Hunde hinter dem Zaun und das ängstliche Quieken der fetten Schweine im Koben. Die Hunde machten das Schweinegrunzen nach und die Schweine imitierten das Hundegebell, gerade so, als probten sie noch kurz vor ihrem Ende ein Theaterstück. Doch ein jaulender Hund ist und bleibt ein Hund, und ein quiekendes Schwein ist und bleibt ein Schwein. Und auch ein ungeliebter Vater ist und bleibt ein Vater! Wau, Wau! Quiek, quiek! Ein mörderischer Lärm, der mir mörderische Unruhe bescherte. Sie wußten, daß ihnen der Tod bevorstand. Auch die Stunde des Todes meines Vaters nahte. Tiere haben einen viel sichereren Instinkt als wir Menschen: Sie hatten längst den Blutgeruch im Hof unseres Hauses gewittert und die im Mondlicht tanzenden Seelen all der toten Hunde und Schweine erblickt, die vor ihnen gestorben waren. Sie wußten, daß sie am nächsten Morgen bei Tagesanbruch ihrem Schlächter begegnen würden. Davon zeugte ihr unablässiges Geschrei.
    Und dir, mein Vater, wie geht es dir in deiner Todeszelle? Heulst du? Quiekst du? Oder singst du noch immer die Arien der Katzenoper? Ein paar Knastbrüder haben mir einmal erzählt, daß man in der Todeszelle händevollweise Flöhe fangen könne und daß die Wanzen dort rund und fett werden wie Erbsen. Ach, mein Vater, du hattest dich doch bereits für ein geordnetes Leben entschieden, und nun fällt das Schicksal wie ein schwerer Stein auf dich herab und stößt dich in die Todeszelle. Vater!
    Der Dolch blendendweiß, wenn er ihn hineinstößt, und blutrot, wie er ihn herauszieht, das ist mein Ehemann Zhao Xiaojia, der berühmteste Hunde- und Schweineschlächter im Landkreis Gaomi. Groß und stark ist er, der Schädel halb kahl und bartlos das Kinn, am Tage döst er vor sich hin und am Abend redet er ohne Sinn. Seit wir verheiratet waren, erzählte er mir immer wieder die Geschichte vom Tigerbart, die er angeblich von seiner Mutter hatte. Ich weiß nicht, welcher Taugenichts ihm diese Flausen tatsächlich in den Kopf setzte, doch nachts hörte er nicht auf, mir wegen dieses goldfarbenen Tigerbarts in den Ohren zu liegen. Er soll einem die Fähigkeit verleihen, das wahre Wesen eines Menschen zu erkennen. Weil der Idiot nicht locker ließ, mußte ich ihm schließlich den verdammten Tigerbart besorgen. Dieser Armleuchter, wie er sich in der Ecke unseres Kang zusammenrollte und laut schnarchend und mit den Zähnen knirschend im Traum redete: »Vater, Vater, Vater, sieh her, sieh an! Schlag die Eier auf und mach die Nudeln lang.« Nicht auszuhalten! Ich stieß ihn mit den

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