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Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Titel: Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fromm
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Vielleicht wurde es besser, wenn er sich ein wenig hinlegte.
    Der Leutnant musterte sehnsüchtig das komfortabel aussehende Ruhelager des dicken Obergefrei ten. Undenkbar, sich vor Untergebenen eine Blöße zu geben! Er beschloss, beim nächsten Aufenthalt unauffällig in den weit komfortableren Offizierswaggon zu wechseln, und versuchte noch einige Zeilen zu finden.
     
    Edgar und ein Unteroffizier, von dem man erfahren hatte, dass er Glotz hieß und im Zivilleben Molkereiarbeiter war, bewunderten währenddessen rauchend die russische Landschaft.
    »Kein Wunder, dass der Iwan den Krieg verliert. Da kriegst ja ’n Gehirnstillstand, wenn du rausguckst.«
    »Deswegen haben se dich ja hierhergeschickt«, stichelte Rollo.
    »Kurze Eingewöhnungszeit für unsern Edgar.« Fritz brachte sein Viersilbenlachen an, das an die Symphonie erinnern sollte, mit der die meisten Wochenschauen begannen.
    Glotz blies Rauch durch das geöffnete Abteilfenster. »Wenn de nicht wüsstest, dass der Zug fährt, würdste denken, wir stehen seit zehn Stunden an derselben Stelle.«
    »Machs Loch zu, ’s zieht!«, brüllte jemand von hinten.
    Fritz verschränkte nachdenk lich die Hände hinter dem Kopf.
    »Hoffentlich müss mer des nicht alles mal zu Fuß z’rück.«
    »Was soll’n der Scheiß?«, ging Rollo hoch. »Die schlagen jetzt schon die Grenzpfosten für uns ein. Nach’m Krieg kriegt hier jeder von uns ’n Gut mit hundert Hektar und zehn Weibern.«
    »Hier?« Edgar war ehrlich entsetzt. »Nicht wenn ich’s geschenkt krieg!«
    »Dann bleibste eben in deinem Pissdorf.«
    Rollo fühlte, wie sein Magen zu rebellieren begann. »Hat’s nicht geheißen, wir halten in Charkow? Wann kommt denn endlich das verdammte Kaff? Man wird ja seekrank in dem Scheißzug!«
    Fritz bot ihm voll ironischer Hilfsbereitschaft eine Tablette an.
    »Deutsche Einheitspille. Hilft immer.«
    »Gib her, schlimmer kann’s nicht werden.« Rollo spülte die Pille mit einer halben Flasche lauwarmem Bier hinunter. »Wenn ich verreck, kriegst du Frau und Kinder.« Leidend drehte er sich auf die andere Seite.
    Edgar konnte sich noch imm er nicht mit dem Panorama abfinden. »Wieso können wir nicht irgendwo hinfahren, wo’s schön ist? ’n paar Schlösschen, Flüsschen …«
    »Ihr habt ja die ungeahnten Möglichkeiten von dem Land noch gar nicht richtig durchschaut. Des schreit ja mit seinen Entfernungen geradezu nach Lkws!« Fritz’ Hand legte sich schwer auf den empfindlichen Magen seines Freundes Rollo. »Und auch du wirst eines Tages noch auf Knien vor mir rutschen, damit du ’ne Ladung Schweinehälften nach Kirkov – oder wie des Scheißkaff heißt – fahren darfst.«
    Die Landser johlten.
    Sie lachten noch immer, als plötzlich eine dumpfe Explosion die Lokomotive von den Schienen hob und ihr Waggon träge auf die Seite kippte.

 
     
     
     
     
     
    4
     
     
    D er Waggon schlitterte noch einige Meter über die Erde, die Scheiben barsten. Fritz und Edgar begriffen nicht, was passiert war, nicht einmal, wo oben und unten war. Sie begriffen nur, dass sie noch Arme und Beine hatten, mit denen sie sich aus den Trümmern herausarbeiten konnten. Sie krochen aus dem umgekippten Waggon ins Freie. Aus kleinen Schnittwunden sickerte Blut. Weiter vorn flackerte Feuer. Durch den Rauch sahen sie den Leutnant, der fassungslos dastand und dem Blut übers Gesicht lief.
    Sie stellten fest, dass sie noch gehen konnten, und machten schwankend einige Schritte. Frit z stolperte über eine der aufgeplatzten Kisten, auf der er bis vor wenigen Sekunden noch gelegen hatte. Dann sah er Glotz, der statt einer von Edgars Zigaretten ein Stück der Gepäckablage im Mund hatte, dessen Ende blutverschmiert aus seinem Nacken ragte. Einer von denen, die man nur kurz kennengelernt hatte. Einer von denen, die kein Glück gehabt hatten.
    Die Überlebenden sahen sich um. Sinnlose Bewegungen. Zähneklappern, als stünden sie unter schwachem elektrischen Strom. Das einsetzende Stöhnen und Wimmern der Verletzten mischte sich mit dem Zischen des Dampfes, der aus der Lok entwich. Die ersten Kommandos wurden gerufen. Fritz und Edgar knieten sich neben einen Verletzten. Es war der Mann, der damit geprahlt hatte, im letzten Winter bis in die Vororte Moskaus marschiert zu sein. Sie stopften drei Verbandspäckchen in seinen klaffenden Oberschenkel, doch die Wunde blutete unvermindert weiter. Sie wickelten einen Verband um die glitschige Masse. Ihre Hände zitterten so stark, dass ihnen die

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