Sterntaucher
dir?«
»Du schützt dich schon alleine. Weißt du, wie lange ich hier warte?«
»Komm, Kind –« Die Blondine preßte eine Hand auf die Brust. »Schneller kann ich nicht, hab die Blütezeit längst hinter mir.« Sie atmete schwer, eine alternde Marilyn-Kopie mit fleckigem Lidschatten. Kopfschüttelnd sah sie Ina an. »Was ist, kriegste ’nen Gähnkrampf? Komm zu Mama, die macht dich wieder munter. Ich hätt Traubenzucker da.«
»Pfui Teufel.«
»Na, dann nicht.« Sie zupfte an ihrer Mähne. »Was bestellste mich denn ausgerechnet hierher? Ich dachte, wir gehen gepflegt was essen.«
»Madame«, sagte Ina, »ich brauch ’ne Auskunft.«
Die Blondine seufzte nur.
Ina unterdrückte ein erneutes Gähnen. »Jemand hat mir erzählt, daß du Streit mit dem Amtsarzt hattest, kann das sein? Und jetzt steht deine Bewährung auf der Kippe.«
»Der Amtsarzt hat mich diskriminiert, der wollte mich nicht untersuchen. Das ist außerdem unterlassene Hilfeleistung.«
»Du hast ihn getreten«, sagte Ina. »Das ist böse, man darf keine Amtsärzte treten. Dann hast du ihn telefonisch beschimpft und bedroht, das darf man auch nicht.«
»Ich hatte die Geschichte mit der Harnröhre. Der Amtsarzt hat gefragt, ob ich ihn verarschen will.«
»Das ist kein Urologe.« Ina räusperte sich. »Er stellt Huren den Bockschein aus, ich dachte, davon hättest du schon gehört.«
»Erst mal ist er Arzt. Und eine private Krankenversicherung kann ich mir nicht leisten. Was ist denn das für ein Land, wo ein Amtsarzt anfängt zu schreien, wenn er einen Pimmel sieht?«
Ina schüttelte den Kopf. »Es geht darum, daß du dauernd so ein Gedöns machst. Du hast dich da reingeschmuggelt, du bist keine Hure und du bist keine – hm, ja.«
»Ach, muß man das neuerdings sein?« Die Blondine klatschte Ina eine schwere Hand aufs Knie. »Und?«
»Ja«, murmelte Ina. »Wenn du jetzt brav bist –«
»Hast du da überhaupt noch was zu sagen? Ich meine, wo du nicht mehr bei der Sitte bist.«
»Zu sagen hab ich nirgendwo was.« Ina zog das Foto aus ihrer Tasche. »Konzentrier dich mal auf deine Bewährung und laß den ganzen Quark.«
»Ist das nicht furchtbar«, sagte die Blondine, »Männer sind so rachsüchtig, sogar Ärzte, und die sollen doch Gutes tun. Zeig mal her.« Sie nahm Ina das Foto aus der Hand. »Fies belichtet, muß ich schon sagen. Ist das vom Fernseher fotografiert?«
»Kennst du sie?«
»Wie heißt die denn, was hat die gemacht?«
»Sie heißt Katja, und ich will mit ihr reden.«
»Nee, kann ich nichts zu sagen.«
»Katja Kammer.«
»Nie gehört.«
Ina tippte ihr auf die Schulter. »Wir wollten uns doch anstrengen, oder?«
»Kind, wenn ich’s doch nicht weiß. Versuchen wir’s mal so rum, wo verkehrt die denn?«
»Es gibt gewisse Partys.« Ina sah aus dem Fenster. »Da wird geprügelt und mit Messern geritzt, da werden Leute gefesselt und gefoltert. Die Gäste sehen nach was aus. Die Opfer nicht.« Sie sah die Blondine wieder an. »Schon davon gehört?«
»Gerüchte gibt es immer, ich meine, ich kann dir auch einen Puff zeigen, da verkehren dieselben Leute, die du dann auf dem Opernball siehst.«
»Ich weiß.« Ina reichte ihr das zweite Foto, das die junge Frau zeigte, die gefoltert worden war. Mit über den Brüsten verschränkten Armen stand sie da und guckte an der Kamera vorbei.
»Jesses, ja«, flüsterte die Blondine. »Ich glaub schon. Das arme Ding.«
»Was glaubst du?«
»Geli heißt sie. Oder nennt sich so. Als ich sie zuletzt gesehen hab, stand sie am Großmarkt. Hat sich auch mal mehr versprochen.«
»Wann war das?« Ina fühlte ein Kribbeln in den Fingerspitzen.
»Ist ein paar Monate her. Ich kenn sie nicht genauer, weiß halt nur, daß es sie gibt.« Die Blondine legte eine Hand auf das Foto, als könne sie nicht ertragen, was sie sah. »Dr. Lippert«, murmelte sie dann. »Also ich weiß von einem, der heißt Dr. Dirk Lippert und arbeitet wohl im Finanzamt, der steht auf so was. Der hat mal ein Schweinegeld für Foltervideos ausgegeben, bitte frag mich nicht, woher ich das weiß. Der hat außerdem ein Mädel, das ich kannte, halb totgeprügelt, an die kommste aber nicht mehr ran, weil die hat sich den Goldenen gesetzt.«
»Finanzamt«, sagte Ina. »Reicht ihm das nicht, wenn er den Leuten das Geld aus der Tasche zieht? Braucht ’ne härtere Dröhnung, was?«
»Dr. Lippert«, wiederholte die Blondine feierlich. »Kind, schneid ihm den Schwanz ab.«
»Das ist vielleicht ’ne Sache im Kopf,
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