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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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nicht im Schwanz.«
    »Ach komm«, sagte die Blondine. »Erzähl mir nix.«
    »Ich sag dir noch ein paar Namen.« Ina tippte aufs Steuer. »Kemper. Steffen Kemper.«
    Langsam schüttelte die Blondine den Kopf.
    »Robin Kammer. Oder Robbi.«
    »Nein, nie gehört.«
    »Dorian.« Ina hatte es nur geflüstert, mit abgewandtem Blick, und die Blondine fragte: »Was sagste?«
    »Dorian.«
    »Vom Oscar Wilde gibt’s das Buch, daher kenn ich den Dorian – nee, aber nicht im richtigen Leben. Muß ein hübscher Kerl gewesen sein.«
    »Wer?«
    »Dorian Gray. Na, der vom Oscar Wilde.«
    »Ich les kaum Bücher.« Ina seufzte.
    »Was denn, noch nicht mal Hera Lind?« Die Blondine schüttelte den Kopf. »Das hätt ich dir zugetraut, Hera Lind.« Noch einmal guckte sie auf das Foto Katja Kammers. »Die ist aber eine Klasse für sich.«
    »Tatsächlich?«
    »Na komm, sei nicht voreingenommen, die Frau hat Eleganz. So ein schönes Kleid. Und die Haare.« Sie seufzte. »Wenn ich mir meine nicht alle zwei Wochen färbe, bin ich weg vom Fenster, und du –« Sie kniff die Augen zusammen. »Bist doch jung und schön und sexy, Kind, könntest in jedem Frauenroman was werden, aber die Haare!«
    »Was ist damit?«
    »Die können sich auch nicht entscheiden, welche Farbe sie nun haben. Dackel sehen so aus.«
    »Egal.« Ina packte die Fotos weg. »Ich hab sie mir mal färben lassen, so was richtig Dunkles, das ging total in die Hose. Sah ich aus wie drei Tage tot.«
    »Das tuste jetzt aber auch.« Die Blondine nahm ihr Handtäschchen vom Schoß. »Wirklich kein Stückchen Traubenzucker? Hat Zitronengeschmack.«
    »Nein«, sagte Ina. »Und du bist sicher? Sie heißt Geli und du hast sie am Großmarkt gesehen?«
    »Geli, ja. Falls sie noch lebt.«
     
    Geli, falls sie noch lebte, würde vielleicht die Auskunft verweigern, weil sie nicht zurückdenken mochte an die Angst und an die Qual. Ina wartete auf Kissel und beobachtete die Huren, die zwischen Containern, Kneipen und Sattelschleppern auf Kundschaft warteten. Sie machten müde kleine Schritte hin und her, die Augen zum Himmel gerichtet, als flehten sie das Gewitter herbei, das nicht kam. Vielleicht wollten sie den Regen spüren, der alles abwusch, und den Wind, der alles hinwegblies, den Dreck auf dem Pflaster und den Gestank aus den Containern und diese Warterei auf das hastige Gefummel für zehn Mark.
    Kissel kam zu Fuß. »Du solltest keine Alleingänge machen«, rief er ihr entgegen, »das ist gegen die Vorschriften.«
    »So.« Sie schlug die Wagentür zu. »Erstens hab ich einen Informanten getroffen, zweitens pfeif ich mal auf die Vorschriften.«
    »Ina, Süße, kriegen wir unsere rebellischen fünf Minuten?« Er lachte. »Und du glaubst, das Mädel ist hier?«
    Älter war sie geworden und schien zu verfallen. Sie fragten sich durch und sahen sie zwischen zwei Containern stehen, wo sie ihnen mit dem gleichgültigen Blick einer Hure entgegensah, die das meiste schon hinter sich hat, auch so ein albernes Kinderspiel wie den Dreier mit einem harmlosen Paar. Aber harmlos waren sie ja nicht. Sie fragten nach der Hölle und warfen sie in die Hölle zurück; »Nein«, flüsterte sie und wedelte mit einer Hand, als verscheuche sie Fliegen, »nein, nein, ich hab mit diesen Leuten nichts mehr zu tun.«
    »Aber Sie hatten«, sagte Kissel zufrieden. »Sie haben damals keine Anzeige erstattet?«
    Darauf sagte sie nichts. Wie lange blieb sie stumm, eine Minute, zwei? Eine Ewigkeit, wenn man auf eine Antwort wartete, und als sie endlich zu reden begann, war ihre Stimme zittrig und schrill. Ein Video? Ihr habt das gesehen? Jetzt noch, jetzt?
    Man kann es immer noch sehen?
    Eine abgebrannte Kippe zitterte zwischen ihren Fingern. »Damals«, sagte sie, »damals der Kerl, da war ich auf dem Drogenstrich, und der kommt an und sagt, ich könnt viel mehr verdienen.« Sie wandte sich ab und redete auf einen Müllcontainer ein, aus dem es nach verfaulten Bananen roch. »Dann hat er mich dahin gefahren. Gute Leute, hab ich gedacht, alle gut aufgemacht und so. Aber die fesseln mich.« Jetzt war die Zeit zurückgesprungen, und einen Moment lang schien sie wieder in diesem Raum zu sein, sah die Männer und die Frau um sie herum und sah den Stuhl, an den man sie band. Die fesseln mich. Grenzenlose Überraschung legte sich sekundenlang auf ihr Gesicht.
    »Sie sagen, es wär nicht schlimm, aber die schlagen mich und dann, Eiswürfel überall rein, gucken, was passiert, und mit der Peitsche und mit dem Messer, und

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