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Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition)

Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition)

Titel: Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Ort des Gleichmuts und der Sauberkeit verließ. Sich in einer öffentlichen Toilette erleichterte. An einem Kiosk eine Zeitung kaufte. Und dann durch die Innenstadt schlenderte, vorbei an Boutiquen, Blumenläden, Supermärkten und Bäckereien. Und schließlich in einem Café einkehrte, einen Espresso mit Wodka trank. Und es würde ein beispielloser Tag sein, in einer Stadt, die ihm nichts bedeutete, in der er niemand mehr kennen musste.
    »Feel the pulse and vibration and the rumbling force«, sagte er laut, »somebody is out there beating a dead horse …« Er wiegte den Kopf und brummte die Melodie.
    »Grüß Gott.«
    Ein Mann in weißen Hosen und einem weißen T-Shirt stellte sich neben ihn. Er hatte schwarze, nach hinten gekämmte Haare, ein braun gebranntes kräftiges Gesicht und helle Augen. An den Füßen trug er rote Schlappen, die Schilff sofort lachhaft fand.
    Sie gaben sich die Hand.
    »Ich hab Ihren Namen nicht verstanden«, sagte Schilff.
    »Ben Zellner, Sie kommen doch auf Empfehlung von Frau Jennerfurt, oder nicht?«
    »Exactly.«
    »Haben Sie sie denn in letzter Zeit gesehen? Sie ist doch … sie ist verschwunden, sie ist …«
    »Deswegen bin ich hier.«
    »Bitte?«
    »Ich weiß, dass sie verschwunden ist.« Schilff legte die Hände auf den Tresen. Zellner sah die Wunden an den Knöcheln.
    »Ich verstehe jetzt nicht genau …«
    »Doch«, sagte Schilff, »ich bin in ihrem Auftrag hier, ich …«
    »Sie wissen, wo sie ist?«
    »Nein.« Er schwieg so abrupt, dass Zellner den Kopf schüttelte und mit der Zunge schnalzte.
    »Sie sind Herr Dragomir?«, fragte Zellner. Er ging hinter die Bar und stellte ein Glas auf den Tresen. »Möchten Sie was trinken?«
    »Nein.«
    Zellner goss Mineralwasser in das Glas und trank es in einem Zug aus.
    Angewidert verzog Schilff das Gesicht.
    »Ich hab viel zu tun, Herr … Wenn Sie wissen, wo sich Frau Jennerfurt aufhält, sagen Sie es der Polizei, die sucht nach ihr, und auch ich …«
    »Warum hast du sie infiziert?«
    Es war, als hätte er einen Schlag bekommen. Schilff kam es so vor, als würde alle Farbe in Zellners Gesicht sekundenschnell abfließen und nur noch eine weiße Maske zurücklassen. Phantastischer Anblick.
    Zellner schnaufte immer lauter durch die Nase. Als habe er vergessen, dass er einen Mund hatte. Fing er etwa an zu heulen? Schilff starrte ihm in die Augen, die jetzt nicht mehr hell waren. Vielmehr ergraut. Wie Haare. Schilff war begeistert.
    »Wer sind Sie?« Zellner flüsterte. Ein Gast, der gerade hereinkam, grüßte ihn. Zellner reagierte nicht.
    »Warum hast du sie infiziert?« Es gefiel Schilff, ebenfalls leiser zu sprechen.
    »Was hab ich?« Jetzt brachte Zellner den Mund nicht mehr zu. Immerhin hatte er ihn aufgebracht. Schilff nickte. Was Zellner noch mehr irritierte.
    »Warum?«
    »Wo ist … Frau … Jennerfurt …«
    »Das weiß ich nicht«, sagte Schilff. Und entließ den anderen für Sekunden aus seinem Blick. »Sie hat mich gebeten, dich zu fragen, bevor sie verschwand. Warum hast du das getan?«
    Zellner stand hinter der Bar und gab keinen Ton von sich. Er hörte auch auf, durch die Nase zu schnaufen. Mit weit aufgerissenen grauen Augen starrte er an Schilff vorbei, in Richtung der Duschräume. Dann, nachdem ein Geräusch ihn aus der Erstarrung gerissen hatte, sagte er: »Lassen Sie uns woanders sprechen.«
    Eine Frau hatte den Massageraum verlassen und die Tür mit einem klackenden Geräusch geschlossen. Sie sah Zellner aus der Entfernung an und lächelte. Öffnete die Tür zum Ruheraum, hielt inne, wandte halb den Kopf. Und verschwand hinter der Glastür.
    »Das ist nicht möglich«, sagte Schilff.
    Zellner wurde erneut aus seinen rotierenden Gedanken gerissen. Eine junge Frau, die ebenfalls nur mit einem Tuch bekleidet war, kam zur Bar.
    »Ben, die Frau Grüner ist am Telefon«, sagte sie. »Sie hat eine Frage wegen der TCM-Behandlung. Ich hab ihr gesagt, das ist dein Gebiet.«
    »Ich ruf sie zurück.« Es klang, als habe Zellner den Satz auswendig gelernt.
    Die junge Frau zupfte an ihrem Tuch und ging wieder.
    »Ben«, sagte Schilff leise. »Wir können nicht woanders sprechen. Woanders würd ich dich totprügeln. Besser, wir bleiben hier und unterhalten uns. Wissen deine Kollegen, dass du infiziert bist? Bist du schwul?«
    Mechanisch schüttelte Zellner den Kopf.
    »Bisexuell?«, sagte Schilff laut.
    Wieder schüttelte Zellner den Kopf. Offensichtlich dachte er an etwas. Aber seine Gedanken schienen

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