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Tag der Vergeltung

Tag der Vergeltung

Titel: Tag der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liad Shoham
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er einfach weggehen, aufgeben, sie in Ruhe lassen.
    Doch das Klopfen ließ nicht nach. Es wurde eindringlicher, hartnäckiger. Was sollte sie tun, wenn er die Tür eintreten würde?
    Sie hörte, wie jemand ihren Namen rief. Sie versuchte sich mit aller Macht zu konzentrieren, genau hinzuhören.
    Nein, sie irrte sich nicht. Sie kannte diese Stimme.

3
    Amit Giladi sah sich auf seiner Lieblingshomepage die neuesten Pornos an. Hin und wieder klickte er einen an, der ihm reizvoll erschien, doch kaum eine Minute verging und schon war er beim nächsten. Er war nicht bei der Sache. Immer wieder schielte er zu seinem Handy, das neben ihm auf dem Schreibtisch lag, in der Hoffnung, es würde klingeln. »Deep Throat«, seine Quelle, hatte ihm versichert, sich gegen Abend zu melden, um durchzugeben, wo der Umschlag mit dem Material deponiert war. Der Name war eine Reminiszenz an die beiden Enthüllungsjournalisten, die er hoch schätzte.
    Bisher hatte er niemandem von diesem Kontakt erzählt. Sollte an der Story etwas Wahres sein, gehörte sie ihm, allein ihm. Seit siebeneinhalb Monaten arbeitete er als Reporter für die Tel Aviver Lokalzeitung und war für die Ressorts »Verbrechen« und »Bildung« zuständig. Vor anderthalb Monaten hatten sie ihm »Bildung« aufgedrückt, da sein Vorgänger im Rahmen der »Effizienzsteigerung« weggekürzt worden war. Obwohl er eine Menge lernte, vor allem von Dori Engel, dem Redakteur, konnte er es kaum erwarten, ins Überregionale zu wechseln, wirklich brisante Fälle aufzudecken und nicht länger über Lokalgeschichten berichten zu müssen.
    »Deep Throat« hatte ihn kontaktiert und ihm gesteckt, dass er brisante Informationen über Korruption in der israelischen Polizei habe. Hochrangige Polizeibeamte, Vertraute des obersten Polizeichefs, so behauptete er, würden auf angebliche Fortbildungen ins Ausland geschickt, wo sie auf Kosten des Steuerzahlers in Luxushotels residierten. Er hatte Namen und Hotels recherchiert.
    Amit hatte ihm entlocken wollen, woher er seine Informationen beziehe. War er Polizist? Wenn ja, welchen Dienstrang hatte er? Eine weitere Frage in diese Richtung, so sagte »Deep Throat«, und er würde auflegen. Amit wollte wissen, wie er ausgerechnet auf ihn gekommen war. Eine solche Story wäre für die überregionale Presse doch ein gefundenes Fressen. »Deep Throat« hatte gemeint, dass die meisten Polizeibeamten aus dem Bezirk Tel Aviv seien und die Tel Aviver Lokalzeitung »dazu die Eier in der Hose habe«, doch überzeugt hatte ihn das nicht. Amit wollte Dokumente, Beweismaterial sehen, bevor er mit der Story losziehen würde. Ältere und wesentlich erfahrenere Journalisten hatten ihre Karriere ruiniert, weil sie Material vor der Berichterstattung nicht geprüft hatten. Was das betraf, hatte »Deep Throat« sogar Verständnis. Sonntagabend würde er ihm durchgeben, wo er den Umschlag mit den belastenden Dokumenten finden würde.
    Schon seit dem frühen Nachmittag stand er unter Anspannung, fragte sich, wann er anriefe und was er für ihn hätte. Doch Funkstille. Inzwischen war es elf Uhr abends. Hatte er es sich anders überlegt, oder noch schlimmer: es einer anderen Zeitung angeboten?
    Er warf sich aufs Bett und starrte an die Decke, von der die Farbe abblätterte. Wie gern würde er in einen anderen Teil der Stadt ziehen, doch mehr als dieses winzige Zimmer in der ersten Etage an der lauten Allenby konnte er sich nicht leisten. Der Geruch frischer Falafel drang aus dem Laden unter ihm in seine Nase. Selbst dafür fehlte ihm das Geld. Er musste mit den Falafel-Bällchen Vorlieb nehmen, die ihm seine Mutter umsonst zubereitete.
    Das Klingeln riss ihn aus seinen Gedanken. Hastig griff er nach dem Handy, beinahe hätte er es vom Tisch gestoßen.
    »Sag mal, Giladi, zum Teufel noch mal, wozu habe ich dich eigentlich eingestellt?« – Enttäuschung machte sich breit, das war Doris zornige Stimme.
    Er gab keine Antwort. Dori hatte zwar ein loses Mundwerk, aber auch einen guten Riecher und einen sechsten Sinn.
    »Hör auf zu wichsen. In der Welt da draußen wird dein Typ verlangt«, setzte Dori noch eins drauf, als es in der Leitung still blieb.
    »Ich bin ganz Ohr, Dori. Wo brennt’s?«, sagte er gelassen. Schon nach wenigen Monaten bei der Zeitung hatte er kapiert, dass man auf diese Provokationen besser nicht einging. Der Tag würde kommen, da er Dori seine Erniedrigungen heimzahlte, das hatte er sich geschworen. Sobald er seine Exklusivstory in der Tasche hatte,

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