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Target 5

Target 5

Titel: Target 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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hatte, versuchte das Packeis die Insel zu zermalmen. Aber bisher hatte es den sieben Meter hohen Eisklippen, die sich über ihm erhoben, nichts anhaben können, da es aus Salzwassereis bestand – einem Eis, das sich aus der See geformt hatte. Die massive Insel, anderthalb Kilometer im Durchmesser, war zäher.
    Target 5 bestand aus Frischwassereis, das härter ist als sein Gegner, der sich aus Salzwasser zusammensetzte. Sie hatte einen langen Stammbaum. Über Hunderte von Jahren hatte sich das Schelfeis entlang der kanadischen Küste aufgebaut aus dem langsam abfließenden Gletscherwasser, das sich zur gefrorenen See hinbewegte. Das Schelfeis hatte sich Lage um Lage aufeinandergeschichtet und eine Stärke von siebzig Metern erreicht. Target 5 war ein Fragment dieses Schelfs, ein anderthalb Kilometer weites Fragment, das sich losgelöst hatte und seit dreißig Jahren mit dem Packeis driftete.
    Die Eisinsel hatte gerade ihren vierten, zehn Jahre dauernden Umlauf um den Pol mit Kurs auf die kanadische Arktisküste begonnen, als die Grönland-Strömung sie erfaßte. Die riesige Eisscheibe wurde südlicher als je zuvor getrieben. Bald war sie in der Nähe des Trichters zwischen Grönland und Spitzbergen, bis sie den Punkt ohne Wiederkehr erreicht hatte, und trieb nun statt westlich weiter südlich in Richtung Eisberg-Gasse.
    Weit entfernt in Washington wartete Dawes noch auf Beaumont, als Dr. Matthew Conway, der fünfzigjährige Stationsleiter von Target 5, aus der Hauptbaracke des Quartiers trat, um mit dem Sextanten die Position zu bestimmen. Conway, den normalerweise nichts aus der Ruhe bringen konnte, war etwas nervös, als er mit dem Instrument hantierte. Und die Tatsache, daß fast sofort ein zweiter Mann bei ihm war, als er nun nach draußen trat, irritierte ihn eher noch mehr. Jeff Rickard, der zweiunddreißigjährige Funker, schloß schnell die Tür hinter sich, um die Kälte nicht in die Baracke zu lassen. »Irgendwas los, Matt?« erkundigte er sich.
    »Eine ganze Menge«, antwortete Conway mit erzwungener Heiterkeit. »Der Omaha-Expreß ist gerade vorbeigefahren.«
    »Mensch, wenn’s nur so wäre! Irgendwelche Zeichen von den Russen, meinte ich.«
    »Ich weiß, was du meintest.«
    Sie standen zwischen zwölf Baracken, die den Forschungsstützpunkt in der Mitte der Insel bildeten. Auf beiden Seiten einer schmalen Straße aus festgefahrenem Schnee standen sich je sechs Baracken gegenüber. Aus einer Baracke am Ende der Straße ragte ein Funkmast in die Mondnacht. Überall um sie herum, an keiner Stelle weiter als achthundert Meter entfernt, quietschte und knirschte der Feind – das Packeis – wie ein gequältes Ungeheuer. Es erinnerte sie daran, daß das Packeis lebte, sich bewegte und gegen die Klippen scheuerte, die es noch zurückhielten. Plötzlich hörten sie ein neues Geräusch, einen scharfen Knall, wie von einem Gewehrschuß.
    »Was zum Teufel war das?« flüsterte Rickard.
    »Ein Stück Eis, das abbricht«, antwortete Conway müde. »Geh bitte nach drinnen zu Sondeborg, Jeff. Ich möchte mit meiner Arbeit fertig werden.«
    »Er hat wieder eine seiner Launen. Ich glaube, es wird schlimmer mit ihm, Matt.«
    Conway hatte sein Gesicht von Rickard abgewandt. Er preßte die Lippen zusammen und versuchte, sich auf seine Positionsbestimmung zu konzentrieren. Sondeborg, mit sechsundzwanzig Jahren der Jüngste von ihnen, war kurz vor einem Nervenzusammenbruch, oder wie auch immer man es nennen wollte. Schuld war natürlich die Isolation. Außerdem stand das Ende ihres Aufenthalts auf der Insel bevor. In zwölf Tagen sollte das Flugzeug kommen, um sie von dieser dem Untergang geweihten Insel zu evakuieren, und jetzt erschienen ihnen die Stunden – selbst die Minuten – wie Jahre.
    Der Forschungsstützpunkt war rundherum von einem glatten; schneebedeckten Plateau umgeben, das sich bis zu den Eisklippen hin erstreckte, ausgenommen eine kleine Stelle im Süden, wo sich ein Hügel erhob, dessen Gipfel fünfzehn Meter über dem Plateau lag. Hier, mehr als hundertsechzig Kilometer von der nächsten Küste entfernt, war ein Hügel, aufgeschüttet aus riesigen, schneebedeckten Felsbrocken. Einige hatten die Größe kleiner Bungalows. Vor Jahrtausenden waren sie in einen Gletscher geraten und auf dem kanadischen Schelfeis abgelagert worden. Als die gewaltige Eisplatte abgebrochen war, hatte sie den Hügel mit sich getragen.
    Die Tür hinter Conway wurde wieder geöffnet, und er spürte, daß er nahe daran war, seine

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