Tiere essen
Hunger.
Mark Twain sagte, das Rauchen aufzugeben sei eine der leichtesten Übungen, er täte es ständig. Ich würde auch den Vegetarismus auf die Liste der leichten Übungen setzen. Während meiner Highschoolzeit wurde ich öfter Vegetarier, als ich mich heute erinnern kann, meistens, um mich abzugrenzen in einerWelt voller Menschen, denen eine Identität offenbar mühelos zuflog. Ich wollte ein Motto, das ich vor mir hertragen konnte, ein Thema, um die peinliche halbstündige Schulpause zu überbrücken, eine Gelegenheit, um den Brüsten von Aktivistinnen näher zu kommen. (Und ich fand es immer noch falsch, Tieren wehzutun.) Was mich nicht davon abhielt, Fleisch zu essen. Nur in der Öffentlichkeit hielt es mich davon ab. Zu Hause ging es weiter hin und her. Viele Abendessen in jenen Jahren begannen mit der Frage meines Vaters: »Gibt es heute irgendwelche kulinarischen Einschränkungen, von denen ich wissen sollte?«
Am College begann ich, viel Fleisch zu essen. Nicht, dass ich davon überzeugt war – was immer das bedeutete –, aber ich verbannte die Zweifel bewusst aus meinem Kopf. Ich hatte keine Lust, mich über ein Thema zu definieren. Und da mich in meinem Umfeld niemand als Vegetarier kannte, musste ich in der Öffentlichkeit nicht so tun als ob oder eine veränderte Haltung erklären. Vielleicht war es sogar der an der Uni weitverbreitete Vegetarismus, der meinen eigenen verhinderte – einem Straßenmusiker, dessen Koffer von Geldscheinen überquillt, gibt man schließlich auch eher kein Geld.
Als ich jedoch im zweiten Studienjahr Philosophie als Hauptfach wählte und zum ersten Mal ernsthaft dachte, wurde ich wieder Vegetarier. Das bewusste Verdrängen, das meiner Ansicht nach mit dem Essen von Fleisch verbunden war, stand im Widerspruch zu dem intellektuellen Flair, mit dem ich mich umgeben wollte. Ich fand, das Leben konnte, sollte und musste vernunftgesteuert sein. Vielleicht können Sie sich vorstellen, wie unausstehlich ich war.
Als ich mit dem Studium fertig war, aß ich ungefähr zwei Jahre lang Fleisch – jede Menge unterschiedlichstes Fleisch. Warum? Weil es gut schmeckte. Und weil für das Ausbilden von Gewohnheiten die Geschichten, die wir uns und anderen erzählen, wichtiger sind als die Vernunft. Also erzählte ich mir selbst eine Geschichte über das Verzeihen.
Dann arrangierte jemand für mich ein Blind Date mit derFrau, die ich später heiratete. Und nur wenige Wochen später stellten wir verwundert fest, dass wir uns über zwei Themen unterhielten: Ehe und Vegetarismus.
Ihre Fleisch-Geschichte war meiner verblüffend ähnlich: Wenn sie abends im Bett lag, war sie von bestimmten Dingen überzeugt, und am Frühstückstisch am nächsten Morgen wurden Entscheidungen umgesetzt. Da war die nagende (wenn auch nur gelegentlich und kurzfristig vorhandene) Angst, dass sie etwas sehr Falsches mitmachte, und gleichzeitig wusste sie um die verwirrende Vielschichtigkeit des Themas und die verzeihliche Fehlbarkeit des Menschen. Wie ich hatte sie strenge Ansichten, aber sie waren offenbar nicht streng genug.
Menschen heiraten aus vielen verschiedenen Gründen. Wir entschlossen uns zu diesem Schritt, weil wir hofften, völlig neu anfangen zu können. Die jüdischen Rituale und Symbole unterstützen diesen Gedanken einer scharfen Abgrenzung von allem, was vorher war – das bekannteste Beispiel ist das Zerschlagen des Glases am Ende der Heiratszeremonie. Früher war es so, aber jetzt wird alles anders. Alles wird besser. Wir werden besser.
Klingt wirklich gut, aber in welcher Hinsicht besser? Ich hatte viele Ideen, auf welchem Gebiet ich besser werden konnte (fremde Sprachen lernen, geduldiger werden, härter arbeiten), aber ich hatte schon zu viele solcher Vorsätze gefasst, um noch an sie zu glauben. Ich hatte auch viele Ideen, auf welchem Gebiet wir besser werden konnten, aber in einer Beziehung gibt es nur wenige wichtige Dinge, auf die man sich einigen und die man verändern kann. Selbst in Augenblicken, in denen vieles möglich scheint, ist in Wirklichkeit nur wenig möglich.
Das Essen von Tieren, ein Thema, das uns beide bewegte und das wir beide vergessen hatten, schien ein guter Ansatzpunkt zu sein. Es hatte mit so vielem zu tun, und so vieles konnte sich daraus ergeben. Wir verlobten uns noch in derselben Woche und wurden Vegetarier.
Unsere Hochzeit war natürlich nicht vegetarisch. Wir redeten uns ein, dass wir unseren Gästen, von denen einige großeEntfernungen zurückgelegt
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