Tödliche Panne: Ein Las-Vegas-Krimi
ihren Jobs auf den Abgrund zu – ein Trend, der noch ein paar Jahre anhalten würde. Laut dem Artikel schienen die einzigen sicheren Arbeitsplätze die der lokalen Wirtschaftsexperten zu sein. Man brauchte diese Leute; sie mussten weiterhin viel Zeit damit verbringen, die wirtschaftliche Entwicklung zu analysieren, um die Bürger von Las Vegas auch in Zukunft mit ihren Analysen auf dem Laufenden zu halten. Wenn es mit einem abwärts geht, ist es immerhin tröstlich, hin und wieder Zugriff auf akkurate Informationen zu haben, damit man genau weiß, wie schlecht es um einen bestellt ist. Über einen längeren Zeitraum hinweg verliert man leicht den Bezugsrahmen.
Er hatte den Artikel fast zu Ende gelesen, als das Telefon klingelte. Er sah zu dem alten Trimline-Apparat hinüber, der auf dem Küchentresen gleich neben dem Anrufbeantworter und dem Mikrowellenherd lag. Es klingelte noch einmal und er überlegte, ob er rangehen sollte. Wahrscheinlich würde sich ohnehin nur eine computererzeugte Stimme oder ein freundlicher Mensch mit schlechtem Englisch melden und versuchen, ihmeine Maßnahme zur Verhinderung von Identitätsdiebstahl für sein Kreditkartenkonto anzudrehen.
Aber alte Gewohnheiten lassen sich nur schwer abstellen. Beim dritten Läuten nahm er den Hörer ab. »Ja bitte«, sagte er.
Er erkannte sofort die Stimme seiner Schwester in der Leitung. Ihre Worte kamen wie aus der Pistole geschossen und klangen gequält. »Etwas Furchtbares ist passiert!« Gleich darauf hörte er, wie sie tief Luft holte.
Seine Haltung versteifte sich und er biss die Zähne zusammen. »Karen? Stimmt irgendwas nicht?«
»Bob ist tot!« Auf diesen Satz folgte schnelles und flaches Atmen.
»Dein Mann Bob?« Sobald ihm die Worte über die Lippen gekommen waren, wurde Snow die Dummheit seiner Frage bewusst. Aber in diesem Augenblick fiel ihm nichts Besseres ein.
Noch mehr heftiges Atmen am anderen Ende. »Ja, Jim!«, heulte sie. »Bob, mein Mann! Er ist tot! Sie haben ihn umgebracht!«
Snow blickte zum Mikrowellenherd hinüber, als könne er dort Antworten auf seine Fragen finden. Seine Stimme blieb ruhig: »Karen, atme einfach mal tief durch und setz dich hin. Hast du dich hingesetzt?«
Jetzt schluchzte sie. sank eine Oktave auf ihre normale Tonlage. »Ich brauche deine Hilfe.«
»Okay«, sagte er. »Wer sind ›sie‹?«
»Woher soll ich das wissen? Wer auch immer ihn umgebracht hat …«, erwiderte sie. »Die Polizei denkt, dass ich es war – und Steve!«
»Wer ist Steve?«
»Der Nachbar.«
»Der Nachbar? Wo ist die Sache passiert?«
»Man hat ihn auf einem Wohnmobil-Stellplatz gefunden, heute Morgen, kurz nach sechs. Irgendein Typ wollte sein Boot holen und hat ihn auf dem Boden neben seinem Pick-up gefunden. Tot.«
»Was hat er auf dem Wohnmobil-Stellplatz gemacht?«
Ihre Stimme stieg wieder eine Tonlage. »Unser Wohnwagen steht dort. Bob hat ihn verkauft – an Steve. Es ging um eine Menge Bargeld. Steve ist anscheinend weggegangen … und Bob … Bob …« Sie schluchzte wieder.
Snow ließ sich die Informationen durch den Kopf gehen. »Hast du mit dem Nachbarn geredet?«
»Nein.«
»Hat die Polizei ihn befragt? Haben sie was gesagt?«
»Nein. Sie wollten gleich zu ihm rübergehen, nachdem sie hier weg sind. Das war vor ein paar Minuten.« Sie schluchzte ein paar Mal. »Aber sie haben mir gesagt, es war eine Hacke, etwas mit einer scharfen Spitze, und in unserer Garage haben wir eine Spitzhacke. Sie ist nagelneu. Ich bin die nächste Angehörige und ich habe eine Spitzhacke in der Garage – also bin ich die Mörderin – ein klarer Fall.«
»So einfach ist es bestimmt nicht …«
»Es ist so einfach. Die Bullen denken so einfach. Du musst es ja wissen, warst ja selber einer.«
»Bist du allein zu Hause?«
»Ja. Wie gesagt, sie sind gerade gegangen.«
»Die Ermittler.«
»Ja«, sagte sie. »Mel Harris und Alice James. Kennst du die?«
Snow runzelte die Stirn. Melvin Harris. Er erinnerte sich wieder an ihn. Zwanzig Jahre bei der Polizei von Las Vegas, davon neun Jahre als Detective. Während Jim Snows Zeit als Mordermittler, die vor drei Jahren geendet hatte, hatten sie nie viel miteinander geredet. Aber das war nicht ungewöhnlich. Schließlich war das Raub- und Morddezernat beim Las Vegas Police Department eine große Dienststelle. Allein in der Mordkommission arbeiteten über zwanzig Detectives unter der Leitung von vier Sergeants. Aber Mel Harris war einer von der Sorte, die man nicht so leicht
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