Traveler - Roman
Mordanschlag auf ihn verüben.«
Michael saß einen Moment sprachlos da und betrachtete Nashs freundlich lächelndes Gesicht. »Das ist doch widersinnig. Die Regierung behauptet, sie wolle uns beschützen, aber sie tut Dinge, durch die wir angreifbarer werden.«
General Nash zog eine Miene, als habe sein Lieblingsneffe gerade unwissentlich einen Fehler begangen. »Ja, es gibt unerfreuliche Begleiterscheinungen. Aber man muss den Verlust einiger Menschenleben in Relation zur Macht setzen, die uns die neuen Technologien verleihen. Niemand kann den Fortschritt aufhalten. In ein paar Jahren werden nicht nur Pässe mit einem RFID-Chip ausgestattet sein. Bei jedem Menschen wird dann ein Protective Link implantiert sein, durch den er rund um die Uhr kontrolliert werden kann.«
Während einer dieser wöchentlichen Unterhaltungen erwähnte Nash, was mit Gabriel passiert war. Offenbar war Michaels Bruder von einer Fanatikerin gekidnappt worden, die
zu einer Terrorbande mit Namen »Die Harlequins« gehörte. Die Frau hatte mehrere Menschen getötet, ehe sie Gabriel aus Los Angeles verschleppte.
»Meine Leute suchen nach ihr«, erklärte Nash. »Wir wollen verhindern, dass Ihrem Bruder etwas zustößt.«
»Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie ihn finden.«
»Natürlich.« Nash schmierte Frischkäse und Kaviar auf einen Cracker und träufelte ein paar Tropfen Limonensaft darauf. »Ich erwähne diese Sache nur, weil die Harlequins aus Gabriel wahrscheinlich einen Traveler machen wollen. Sollten Sie diese Fähigkeit entwickeln, könnte es sein, dass Sie beide sich in einer anderen Sphäre begegnen. In diesem Fall sollten Sie ihn fragen, wo sich sein realer Körper befindet. Sobald wir das wissen, können wir ihn befreien.«
»Vergessen Sie’s«, sagte Michael. »Gabe würde nur dann in eine andere Sphäre reisen, wenn er auf einem Motorrad hinfahren könnte. Vielleicht sehen die Harlequins das ja ein und lassen ihn laufen.«
Am Morgen des Experiments wachte Michael früh auf und duschte. Er hatte eine Badekappe auf, damit die Metallplättchen auf der Kopfhaut nicht nass wurden. Anschließend schlüpfte er in ein T-Shirt, eine Hose mit Durchziehband und Gummisandalen. Das Frühstück fiel an diesem Tag aus. Dr. Richardson hatte es für ratsam gehalten. Michael saß auf dem Sofa und hörte Musik, als Lawrence leise an der Tür klopfte und eintrat. »Das Forschungsteam ist bereit«, sagte er. »Es kann losgehen.«
»Und was ist, wenn ich es mir anders überlegt habe?«
Lawrence wirkte völlig verblüfft. »Die Entscheidung liegt allein bei Ihnen. Natürlich wäre die Bruderschaft nicht erfreut. Ich müsste General Nash darüber informieren, und –«
»Keine Sorge. Ich bleibe bei meiner Entscheidung.«
Er zog eine Strickmütze über seinen geschorenen Schädel
und folgte Lawrence hinaus auf den Flur. Dort warteten zwei Wachmänner auf sie, die den üblichen marineblauen Blazer und eine schwarze Krawatte trugen. Sie bildeten eine Art Ehrengarde – ein Mann vorneweg, einer hinterher. Kurz darauf trat die kleine Gruppe durch eine normalerweise verriegelte Tür hinaus in den Innenhof. Zu Michaels Überraschung waren alle, die an dem Transzendenzprojekt beteiligt waren – Sekretärinnen, Chemiker und Programmierer – gekommen, um zu verfolgen, wie er das Grab betrat. Die meisten Mitarbeiter der Stiftung kannten zwar nicht die wahren Hintergründe des Transzendenzprojekts, aber man hatte ihnen gesagt, dass es dazu beitragen würde, Amerika vor seinen Feinden zu schützen – und dass Michael bei dem Vorhaben eine wichtige Rolle spielte.
Er nickte kurz, so wie ein erfolgreicher Sportler eine Menschenmenge begrüßt, und schlenderte zum Grab. Für diesen Moment waren all diese Gebäude errichtet, alle diese Leute engagiert worden. Das muss viel Geld gekostet haben, dachte er. Millionen von Dollar. Michael hatte immer geglaubt, er sei etwas Besonderes, für Großes auserkoren, und nun wurde er behandelt wie der Star eines aufwändig produzierten Films, in dem es nur eine Rolle gab, in dem nur das Gesicht eines einzigen Schauspielers gezeigt wurde. Falls er tatsächlich in der Lage war, in andere Sphären zu reisen, dann sollten ihm die Menschen mit Respekt begegnen. Dass er sich hier befand, beruhte nicht auf einem glücklichen Zufall. Es war sein Geburtsrecht.
Eine Stahltür glitt auf, und sie betraten einen großen, im Halbdunkel liegenden Raum. Etwa sechs Meter über dem glatten Betonboden lief eine verglaste
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