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Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Titel: Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jandy Nelson
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meinen Platz im Orchester wieder einnehmen will, den, den ich schon seit einem Jahr belege, sitzt er drauf. Selbst vom Kummer benommen wandert mein Blick von den schwarzen Stiefeln aufwärts über die Meilen von mit Jeansstoff bedeckten Beinen und über den endlosen Torso, bis sie schließlich an einem so lebhaft wirkenden Gesicht hängen bleiben, dass ich mich
fragen muss, ob ich möglicherweise ein Gespräch zwischen ihm und meinem Notenständer unterbrochen habe.
    »Hi«, sagt er und springt auf. Er ist baumlang. »Du musst Lennon sein.« Er deutet auf meinen Namen auf dem Stuhl. »Ich hab gehört von … Es tut mir leid.« Mir fällt auf, wie er seine Klarinette hält, nicht wie eine Kostbarkeit, sondern mit festem Griff um den Hals, wie ein Schwert.
    »Danke«, sage ich und jeder verfügbare Quadratzentimeter seines Gesichts erstrahlt von seinem Lächeln. Wow! Ist der von einem Windstoß aus einer anderen Welt in unsere Schule geweht worden? Der Typ sieht auf eine kürbislaternenartige Weise unverfroren glücklich aus. Nichts könnte fremdartiger anmuten in dem mürrischen Gehabe, das die meisten von uns zur Perfektion zu treiben versuchen. Er hat massenhaft in alle Richtungen wippende, wuschelige braune Locken und Wimpern, so lang und dick wie Spinnenbeine. Wenn er blinzelt, scheint er einen mit seinen strahlend grünen Augen anzuplinkern. Sein Gesicht ist offener als ein offenes Buch, eigentlich hat es etwas von einer Wand voller Graffiti. Mir fällt auf, dass ich mit dem Finger wow auf meinen Schenkel schreibe und ich beschließe, lieber den Mund aufzumachen, damit wir diesen spontanen Anstarrwettbewerb abbrechen können.
    »Alle sagen Lennie zu mir«, sage ich. Nicht so originell, aber besser als uuah , was die Alternative gewesen wäre, und es erfüllt seinen Zweck. Eine Sekunde lang guckt er auf seine Füße und ich formiere mich neu für Runde zwei.
    »Übrigens hab ich schon überlegt, ob das wohl Lennon nach John sein könnte?« Wieder hält er meinen Blick fest –
es ist nicht auszuschließen, dass ich gleich ohnmächtig werde. Oder in Flammen aufgehe.
    Ich nicke. »Mom war Hippie.« Wir befinden uns schließlich im nördlichen Nordkalifornien – dem äußersten Vorposten des Freaktums. In der elften Klasse allein gibt es ein Mädchen namens Electricity, einen Jungen namens Magic Bus und zahllose Blumen. Tulip, Begonia und Poppy – alles Namen, die Eltern in Geburtsurkunden eintragen ließen. Tulip ist eine Zweitonnenwalze von Kerl, er wäre der Star unseres Footballteams, wenn wir denn so eine Schule mit Footballteam wären. Sind wir aber nicht. Wir sind so eine Schule mit freiwilliger Morgenmeditation in der Turnhalle.
    »Jaja«, sagt Joe. »Meine Mom auch und mein Dad und die Tanten, Onkel, Brüder und Cousinen … Willkommen in der Fontaine-Kommune.«
    Ich lache laut. »Ich weiß Bescheid.«
    Aber Moment mal – sollte ich wirklich so leicht lachen können? Und sollte es sich so gut anfühlen? Wie das Eintauchen in kühles Flusswasser.
    Ob uns jemand beobachtet hat? Ich drehe mich um, Sarah kommt gerade herein, besser gesagt, sie explodiert in den Musikraum. Seit der Beerdigung habe ich sie kaum gesehen und ein Schuldgefühl durchzuckt mich.
    »Lenniiieeee!« Sie schießt auf uns zu in schönster Zum-Cowgirl-mutierter-Goth-Gestalt: eng anliegendes schwarzes Jahrgangskleid, Shitkicker Cowboystiefel, blondes Haar so schwarz gefärbt, dass es blau aussieht, und als Krönung des Ganzen ein riesiger Cowboyhut. Ich registriere die halsbrecherische Geschwindigkeit, mit der sie sich nähert, und
überlege noch, ob sie wohl tatsächlich vorhaben könnte, mir in die Arme zu springen, bevor sie es versucht und wir beide in Joe hineinschlittern, der es irgendwie schafft, sein Gleichgewicht und unseres zu halten, sodass wir nicht alle miteinander aus dem Fenster fliegen.
    Das ist Sarah in gedämpfter Stimmung.
    »Gute Arbeit«, flüstere ich ihr ins Ohr, während sie mich umarmt wie ein Bär, obwohl sie gebaut ist wie ein Vogel. »So haut man den neuen Prachtjungen von den Socken.« Sie prustet los und es ist ein wunderbares wie verstörendes Gefühl für mich, jemanden im Arm zu halten, den es vor Lachen und nicht vor Kummer schüttelt.
    Sarah ist die begeisterungsfähigste Zynikerin auf diesem Planeten. Sie würde die perfekte Cheerleaderin abgeben, wenn sie nicht so angewidert wäre von der Vorstellung des Schulgemeinschaftsgeists. Wie ich ist sie Literaturfanatikerin, doch sie liest dunkler, in der

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