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Uhtred 6 - Der Sterbende König

Uhtred 6 - Der Sterbende König

Titel: Uhtred 6 - Der Sterbende König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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redete.
    »Einfach nur Fleisch und Wolle«, sagte ich, »und ich lege fest, welche leben und welche sterben sollen.« Es war die Jahreszeit zum Töten, die grauen Tage, während der unsere Tiere geschlachtet werden. Wir lassen ein paar am Leben, damit sie sich im Frühling vermehren, aber die meisten müssen sterben, weil wir nicht genügend Futter haben, um ganze Herden über den Winter zu bringen. »Man muss auf ihre Rücken achten«, erklärte ich Willibald, »der Reif schmilzt nämlich zuerst auf der Wolle der gesündesten Tiere. Das sind diejenigen, die man am Leben lässt.« Ich zog ihm den Wollhut vom Kopf und zerzauste ihm das Haar, das langsam grau wurde. »Kein Reif auf Eurem Kopf«, sagte ich fröhlich, »andernfalls hätte ich Euch die Kehle durchschneiden müssen.« Ich deutete auf ein Mutterschaf mit einem abgebrochenem Horn. »Behalt das da!«
    »Gemacht, Herr«, antwortete der Schäfer. Er war ein sehniger kleiner Mann mit einem Bart, der die Hälfte seines Gesichts verdeckte. Er knurrte seinen beiden Hunden zu, dass sie bleiben sollten, wo sie waren, dann tauchte er in die Herde ein und benutzte seinen Hirtenstab, um das Mutterschaf herauszuholen, das er anschließend zu der kleineren Herde am Rand der Weide trieb. Einer seiner Hunde, ein zottiges Tier mit vernarbtem Fell, schnappte nach den Knöcheln des Mutterschafs, bis ihn der Schäfer wegrief. Der Schäfer benötigte keineswegs meine Hilfe bei der Auswahl der Tiere, die leben oder sterben sollten. Er sonderte seit seiner Kinderzeit aus den Herden die Schafe aus, die ungeeignet für die Zucht waren, aber ein Herr, der die Schlachtung seiner Tiere befiehlt, schuldet es ihnen, ein wenig Zeit mit ihnen zu verbringen.
    »Der Gerichtstag«, sagte Willibald und zog sich seinen Hut bis über die Ohren.
    »Wie viele sind es jetzt?«, fragte ich den Schäfer.
    »Jiggit und mumph, Herr«, sagte er.
    »Reicht das?«
    »Das reicht, Herr.«
    »Dann töte den Rest«, sagte ich.
    »Jiggit und mumph?«, kam es fragend von Willibald, der immer noch vor Kälte zitterte.
    »Zwanzig und fünf«, sagte ich. »Yain, tain, tether, mether, mumph. So zählen die Schäfer. Ich weiß nicht, warum. Die Welt ist eben voller Rätsel. Man hat mir sogar erzählt, dass es Leute gibt, die einen drei Tage alten Säugling als Heiligen verehren.«
    »Man spottet nicht über Gott, Herr«, sagte Pater Willibald in einem Versuch, mich zu rügen.
    »Ich schon«, sagte ich. »Also, was will der junge Edward?«
    »Oh, es ist überaus aufregend«, setzte Willibald an und unterbrach sich gleich wieder, weil ich eine Hand gehoben hatte.
    Die zwei Schäferhunde knurrten. Beide drückten sich flach auf den Boden und hatten den Blick südwärts auf ein Wäldchen gerichtet. Inzwischen fiel Eisregen. Ich starrte zu den Bäumen hinüber, konnte aber zwischen den schwarzen Winterästen und dem Stechpalmengebüsch nichts Bedrohliches entdecken. »Wölfe?«, fragte ich den Schäfer.
    »Hab seit dem Jahr, in dem die alte Brücke eingestürzt ist, keinen Wolf mehr gesehen, Herr«, sagte er.
    Die Hunde sträubten das Nackenfell. Der Schäfer schnalzte mit der Zunge, damit sie ruhig blieben, dann pfiff er einmal kurz, und einer der Hunde raste auf das Wäldchen zu. Der andere winselte, weil auch er losjagen wollte, aber der Schäfer machte ein leises Geräusch, und der Hund wurde wieder still.
    Der andere Hund rannte in einem Bogen auf die Bäume zu. Es war eine Hündin, und sie verstand ihr Geschäft. Sie setzte über einen eisüberzogenen Graben hinweg und verschwand zwischen den Stechpalmenbüschen, bellte unvermittelt, tauchte wieder auf und sprang erneut über den Graben. Einen Moment lang verharrte sie, den Blick auf die Bäume gerichtet, dann rannte sie wieder los, und in demselben Augenblick zischte ein Pfeil aus dem Dunkel des Wäldchens. Der Schäfer pfiff schrill, die Hündin jagte zu uns zurück, und der Pfeil ging hinter ihr zu Boden, ohne Schaden anzurichten.
    »Geächtete«, sagte ich.
    »Oder Männer, die auf Wild aus sind«, sagte der Schäfer.
    »Mein Wild«, sagte ich. Noch immer ruhte mein Blick auf den Bäumen. Warum sollten Wilderer einen Pfeil auf einen Schäferhund abschießen? Sie hätten sich besser aus dem Staub gemacht. Handelte es sich also um besonders törichte Wilderer?
    Der Eisregen hatte mittlerweile noch zugenommen und wurde von einem kalten Ostwind übers Land getrieben. Ich trug einen dicken Pelzumhang, hohe Stiefel und eine Fuchsfellmütze, also spürte ich die

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