Und der Herr sei ihnen gnädig
er ging auch mit ihnen ins Kino. Hinterher brachte er sie in seine Wohnung im Zentrum von Los Angeles und hatte vor laufender Kamera Sex mit ihnen. Bei der Durchsuchung seiner Räume wurden sechs Bänder mit Videoaufnahmen von Frauen sichergestellt - zwei geistig behinderten Mädchen, von denen eines Belinda war (das andere Mädchen war nicht aus dem Fordham Center), und vier Frauen, bei denen es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um Obdachlose handelte. Wenigstens waren es keine kleinen Kinder. Mit den Videoaufnahmen brachte Brill dem Staatsanwalt genügend Beweismaterial, sodass wir Sarah Sanders die Beichte - und damit viel psychischen Stress - ersparen konnten.
Mein stets überlegt und systematisch vorgehender Vater hatte mal wieder die richtigen Entscheidungen getroffen.
Als die Neuigkeit von Hasans Inhaftierung im Fordham Center bekannt wurde, meldete sich zu Klinghoffners Entsetzen ein weiteres Mädchen - Hasans gegenwärtige »Freundin«. Der Fall nahm immer größere Ausmaße an, sodass sich allmählich auch die Zeitungen dafür interessierten. Immer öfter stand Brill zusammen mit dem stellvertretenden Staatsanwalt vor einer Fernsehkamera. Ich hatte es geschafft, nicht mit dem Fall in Verbindung gebracht zu werden, abgesehen von der Tatsache, dass ich bei der Fahrerflucht mit Todesfolge die Erste am Unfallort gewesen war. Sollte Brill ruhig die Lorbeeren einheimsen. Damit hatte ich mich für den Gefallen, den er mir getan hatte, wohl mehr als revanchiert. Als ich schließlich nach Israel aufbrach, saß Hasan immer noch in Untersuchungshaft. Sein Antrag auf Freilassung gegen Kaution war abgelehnt worden, und sowohl FBI als auch CIA überprüften gerade, ob in seinem Fall irgendwelche Verbindungen zu terroristischen Vereinigungen bestanden, was ich für sehr unwahrscheinlich hielt. Meiner Meinung nach war Hasan ein ganz normaler verbrecherischer Dreckskerl ohne politischen Hintergrund.
Er hatte Belinda nachts in die Stadt gelockt und niedergemäht, weil sie ihn der Heimleitung melden wollte, nachdem er aufgehört hatte, ihr »Freund« zu sein. Ich hatte in die richtige Richtung gedacht, aber den Falschen verdächtigt.
Dabei war ich so sicher gewesen.
Das Ganze machte mir erst so richtig bewusst, wie sinnvoll es war, dass das Gesetz sich nicht mit Mutmaßungen und Intuition zufrieden gab, sondern für alles konkrete Beweise verlangte. Eines Tages würde ich eine Goldmarke bekommen. Hasans Verhaftung war für mich eine Art Schlüsselerlebnis - eine wichtige Lektion, die mir das Leben erteilt hatte und die ich auch dann nicht vergessen würde, wenn ich mich längst daran gewöhnt hätte, Detective zu sein.
Eine Woche später saßen Koby und ich eingepfercht auf zwei engen Sitzen in der Touristenklasse einer El-Al-Maschine, unterwegs ins Heilige Land. Nervös probte ich im Geist meine imaginären Gespräche mit seiner Familie. Wie sich am Ende herausstellte, war es ganz egal, was ich sagte: Als Kobys Freundin war ich automatisch willkommen. Ich fand seine Verwandten wirklich wundervoll, aber als Einzelkind musste ich mich erst daran gewöhnen, dass es so viele waren. Wie viele Leute konnte man in eine winzige Wohnung pferchen? Alle hatten sich versammelt, als wir ankamen. Kobys Eltern, seine neun Geschwister - unter anderem seine Zwillingsschwestern, die mich ständig nach den Filmstars fragten, die mir bei meiner Arbeit in Hollywood doch bestimmt über den Weg liefen -, außerdem sämtliche Ehegatten und -gattinnen, diverse Cousins und Cousinen sowie Dutzende von Kindern unterschiedlichster Hautfarbe und Abstammung. Ein Stiefbruder hatte eine Russin geheiratet, einer eine Franko-Marokkanerin, ein dritter eine amerikanische Zahnärztin. Seine beiden Brüder hatten äthiopische Ehefrauen, aber seine Schwester war mit einem jemenitischen Juden verheiratet, dessen Vater Polizist war. Zusammengenommen ergab das eine Miniausgabe der Vereinten Nationen. Trotzdem empfand ich ihre bloße Zahl einfach als überwältigend.
Für Sightseeing blieb nicht viel Zeit. Wir fuhren lediglich für zwei Tage nach Jerusalem, weil alle sagten, ich müsse mir diese Stadt ansehen. Sie war alt und fremdartig und sehr verwinkelt. Man hatte überhaupt nicht den Eindruck, sich in einem Kriegsgebiet zu befinden. Es war viel weniger gefährlich, als ich es mir vorgestellt hatte.
In der Hauptsache bestand unser Aufenthalt aus Verwandtenbesuchen, wobei jeder Besuch mit den vorwurfsvollen Worten endete: »Und wann kommt ihr wieder?« Das
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