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Unheimlicher Horror: d. übernatürl. Grauen in d. Literatur ; Essay

Unheimlicher Horror: d. übernatürl. Grauen in d. Literatur ; Essay

Titel: Unheimlicher Horror: d. übernatürl. Grauen in d. Literatur ; Essay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Phillips Lovecraft
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körperliche Erscheinung aufzwingt. Trotz einer Spur von Weitschweifigkeit und Kopflastigkeit strebt diese Erzählung mit unablässiger Kraft ihrem schrecklichen Höhepunkt zu. »Usher«, ersichtlich von überragendem Rang in Detail und harmonischer Komposition, deutet schaudernd ein verborgenes Leben in anorganischen Dingen an und enthüllt eine Dreieinigkeit von abnorm miteinander verbundenen Wesen am Ende einer langen und abgeschiedenen Familiengeschichte - ein Bruder, seine Zwillingsschwester und ihr unglaublich altes Haus werden zusammen belebt von einer einzigen Seele, und in ein und demselben Augenblick ereilt alle drei die gemeinsame Vernichtung. Diese bizarre Vorstellungen, so unbeholfen in linkischen Händen, werden unter Poes Zauberwort zu lebendigen und überzeugenden Schrecken, die durch unsere Nächte spuken, denn der Autor verstand so vollkommen die genauen Mechanismen und die Physiologie der Angst und der Fremdheit: Er verstand es, die wesentlichen Details zu betonen, er wusste die präzisen Ungereimtheiten und zeichenhaften Übertreibungen als Vorbereitungen oder Begleitumstände des Grauens auszuwählen, die treffenden Vorfälle und Anspielungen ganz unschuldig im voraus als Symbole oder Präfigurationen auszustreuen vor jedem entscheidenden Schritt in Richtung der grässlichen Auflösung am Ende; er verstand es, die sich steigernde Kraft und die untrügliche Exaktheit bei der Verknüpfung der Elemente fein abzustimmen, dass sie durchgehend für makellose Einheit und im klimatischen
    Augenblick für donnernde Wirksamkeit sorgen, und er wusste die delikaten Nuancen der Valeurs von Landschaft und Schauplatz bei der Schaffung und Erhaltung der gewünschten Stimmung und der Belebung der gewünschten Illusion auszuwählen - er kannte die Prinzipien dieser Art und Dutzende von geheimeren Grundsätzen, die viel zu unfassbar sind, um von irgendeinem gewöhnlichen Kommentator beschrieben oder gar völlig verstanden zu werden. Nun mag es zwar Melodrama und Biederkeit in Poes Erzählungen geben - so wird uns von einem verwöhnten Franzosen berichtet, der es nur ertragen konnte, Poe in Baudelaires mondäner und gallisch modulierter Übersetzung zu lesen: doch sämtliche Spuren solcher Dinge werden völlig überschattet von einem potenten und inhärenten Sinn für das Gespenstische, das Morbide und das Grauenhafte, der aus jeder Zelle der schöpferischen Mentalität des Künstlers hervorsprudelte und seinem makabren Werk den unauslöschlichen Stempel des höchsten Genies aufprägte. Poes unheimliche Erzählungen sind auf eine Weise LEBENDIG, wie es nur wenige andere jemals erhoffen können.
    Wie die meisten Phantasten glänzt Poe eher in der Schilderung des Geschehens und den großen erzählerischen Wirkungen als in der Charakterzeichnung. Sein typischer Protagonist ist im allgemeinen ein dunkler, gutaussehender, stolzer, melancholischer intellektueller, zutiefst empfindsamer, launischer, in sich gekehrter, abgeschiedener und manchmal etwas verrückter Gentleman aus einem alten Geschlecht, der in opulenten Umständen lebt, gewöhnlich zutiefst bewandert in seltsamem Wissen ist und dunkle Ambitionen hegt, in verbotene Geheimnisse des Universums einzudringen. Abgesehen von dem hochtönenden Namen hat dieser Charakter offensichtlich wenig aus dem frühen »gotischen« Schauerroman übernommen, denn er ist deutlich weder der hölzerne Held noch der diabolische Schurke der romantisierenden Radliffe-Lewis-Tradition. Indirekt steht er mit dieser jedoch in genealogischer Verbindung, denn seine düstren, ehrgeizigen und gesellschaftsfeindlichen Eigenschaften erinnern stark an den typischen Byronschen Helden, der wiederum entschieden ein Abkömmling der »gotischen« Manfreds, Montonis und Ambrosios ist. Eigentümlichere Eigenschaften scheinen aus Poes eigener Psychologie zu stammen, denn der Autor besaß gewiss viel von der Niedergeschlagenheit, der Empfindsamkeit, dem wahnsinnigen Ehrgeiz, der Einsamkeit und der überspannten Absonderlichkeit, die er seinen hochmütigen und einsamen Opfern des Fatums zuschreibt.

    8. DIE TRADITION DES UNHEIMLICHEN IN AMERIKA
    Das Publikum, für das Poe schrieb, war zwar schändlich unempfänglich für seine Kunst, doch keinesfalls unvertraut mit dem Grauen, das er gestaltete. Amerika hatte ja nicht nur die landläufige düstere Folklore Europas geerbt, sondern besaß zusätzlich noch einen Schatz an unheimlichen Assoziationen, aus dem es schöpfen konnte, so dass gespenstische Legenden

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