Untergang
Kartenspielern und lokalen Schluckspechten mache man kein Business, das diesen Namen verdiene, auf die Jugend müsse abgezielt werden, die Touristen, ein Konzept vorgeschlagen werden, eine Beschallungsanlage her, kleinere Gerichte angeboten, er baue darauf, eine Küche einzurichten, DJs vom Festland kommen zu lassen, er kenne das Nachtleben wie seine Westentasche, und er machte die hundert Schritte durch die Bar, um auf alles zu verweisen, was dringend geändert werden musste, angefangen bei der Einrichtung, die zum Heulen war, und als Marie-Angèle ihm verkündete, was sie unter Berücksichtigung der Umsatzzahlen verlangte, zwölftausend Euro jährlich für Pacht und Miete, da hob er die Arme gen Himmel und rief, dass es abgemacht sei, Marie-Angèle werde über die Veränderungen staunen können, die sie bald schon erleben und deren Bauherr er sein würde, zwölftausend Euro, das sei ja nichts, ein Geschenk, es sei ihm unangenehm, er habe den Eindruck, sie zu bestehlen, und er erklärte ihr, dass er sein Kapital zunächst in Arbeiten primärer Dringlichkeit investieren würde, er würde ihr die erste Hälfte der Pacht in sechs Monaten zahlen, sechs Monate später dann den Saldo plus ein ganzes Jahr im Vorhinein. Marie-Angèle fand den Vorschlag angemessen und lehnte es ab, sich belehren zu lassen, als Vincent Leandri sie darauf aufmerksam machte, dass seinen Nachforschungen entsprechend dieser Typ ein notorischer Nichtsnutz sei, dessen einzige professionelle Erfahrung sich in einigen Saisonarbeiten in Strandfrittenbuden zusammenfassen ließe. Es schien zunächst, Vincent habe sich ungerechtfertigterweise als misstrauisch erwiesen. Die angekündigten Arbeiten fanden statt. Das Hinterzimmer wurde in eine Küche umgebaut, das Mobiliar ausgewechselt, man lieferte eine Hi-Fi-Anlage, Lautsprecher, Plattenteller, einen großartigen französischen Billardtisch, und am Vorabend der Eröffnung wurde oberhalb der Eingangstür ein leuchtendes Schild angebracht. Darauf war das blinkende Gesicht Che Guevaras abgebildet, aus dem eine Comicsprechblase aufstieg, die in neonblauen Buchstaben verkündete:
El Commandante Bar, sound, food, lounge
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Am Folgetag wurden die Stammgäste des Dorfes zum Eröffnungsabend mit aggressivem Techno empfangen, der es ihnen unmöglich machte, bei ihrer Runde Belote ihr eigenes Brüllen zu hören, und sie stellten mit Verblüffung fest, dass der Pächter entschieden hatte, keinen Pastis zu verkaufen, aus Gründen des Standings, stattdessen bot er ihnen Cocktails zu sündhaft teuren Preisen an, bei deren Konsum sie ihr Gesicht verzogen, und es war ihnen nicht vergönnt nachzuordern, weil der Pächter ein Festgelage gemeinsam mit einer Clique von Freunden abhielt, die stapelweise Wodka kippten und schließlich mit nacktem Oberkörper auf dem Tresen tanzten. Die besagten Freunde wurden sehr schnell zu den einzigen regelmäßigen Gästen der Bar, deren Öffnungszeit auf ein striktes Minimum reduziert wurde. Sie blieb morgens geschlossen. Gegen sechs Uhr abends kündigte der stechende Rhythmus des Techno den Beginn des Aperitifs an. Fremde Autos parkten hier und da, bis nachts um elf vernahm man Lachen und Schreien, und dann zog die ganze Clique, Pächter inbegriffen, zur Stadt hinunter. Die Musik setzte gegen vier Uhr morgens wieder ein, als man vom Nachtclub zurückkehrte, und die zur Schlaflosigkeit verdammten Dörfler konnten durch ihre Jalousien den Pächter, umschwärmt von Mädels mit grauenerregenden Gebärden, beobachten, wie er in die Bar stürzte, deren Tür daraufhin verschlossen wurde, und es ging das Gerücht um, der französische Billardtisch sei nur gekauft worden, um dem neuen Pächter eine plane Oberfläche zur Befriedigung seiner Geilheit zu bieten. Nach drei Monaten ging Marie-Angèle ihn besuchen und fragte, wie er gedenke, die Pacht zu bezahlen. Er sagte zu ihr, sie müsse sich keine Sorgen machen, sie aber hielt es diesmal für sinnvoll, ihren Besuch in Begleitung von Vincent Leandri zu wiederholen, der Einblick in die Buchführung verlangte und vorausschickte, wenn seine legitime Neugierde nicht befriedigt werden würde, er sich gezwungen sähe, zum Äußersten zu greifen. Der Pächter versuchte auszuweichen bevor er schließlich zugab, gar kein Kassenbuch zu führen und sich jeden Abend den kompletten Erlös aus der Kasse zu nehmen, um ihn in der Stadt zu verprassen, er hege jedoch keinen Zweifel daran, im Frühling Gewinn einspielen zu können, wenn die ersten Touristen
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