Utopia 2050
Münze in die Luft warfen; Wilson verlor offenbar, denn die Frau nahm den Platz ein. Sie ergriff ein Hämmerchen und pochte damit auf den Tisch. Langsam verstummte das Gemurmel der Anwesenden.
»Fürs Band stelle ich hiermit fest, daß Saya Sorenson von der Medizinischen der heutigen Beratung vorsitzt«, sagte die hagere Frau. Sie meinte sich selbst. »Wie ich sehe, sind wir vollzählig. Bitte, Patrick.«
»Mit Zustimmung der Sektionschefs findet die heutige Sitzung auf meinen Antrag in Form einer persönlichen Zusammenkunft statt«, sagte St. Onge und trat in die Mitte des Hufeisentischs, »weil wir uns mit einem möglichen Betrug im Rahmen des R 47-Programms, insbesondere bezüglich der R-Meister ...«
»Entschuldige, Patrick«, unterbrach Wilson. »Könnten wir erst einmal etwas klarstellen?« Er blickte zu Et hinüber. »Das ist doch, wenn ich mich nicht irre, Etter Ho, der neue R-Meister?«
»Das zu entscheiden«, erklärte St. Onge, »ist der Zweck dieser Beratung. Er ist entweder Etter Ho oder ein Verschwörer gegen das Gesetz – vielleicht auch beides. Doch vermutlich haben wir es mit noch weiteren Verschwörern zu tun. Darf ich sie hereinbringen lassen?«
»Stattgegeben«, sagte Saya Sorenson. Beim Geräusch der Tür wandte Et den Kopf. Mehrere Inspektoren führten Maea, Carwell und Wally herein. Alle drei trugen die vorgeschriebenen grauen Einteiler. Ets Herz begann heftig zu klopfen. Wally bewegte sich ganz wie er, Et, und als die Gruppe verharrte, kreuzte er die Arme über der Brust und schaute gedankenverloren zu Boden, als sei die Umgebung ihm völlig gleichgültig, weil er sich in ein bedeutsames Problem vertieft hatte. Am Tisch entstand Gemurmel, als die Blicke der Sektionschefs von Wally zu Et und zurück zu Wally schweiften. »Eine erstaunliche Ähnlichkeit«, bemerkte Saya Sorenson. »Sind sie Zwillinge?«
»Nein«, gab St. Onge Auskunft. »Bloß Brüder.«
»Aha. Machen wir weiter.«
»Danke. Diese Personen – sowie eine weitere, nämlich ein gewisser Rico Erm, der Etter Ho zugeteilte Sekretär – sind möglicherweise in eine Verschwörung verwickelt gewesen, mit dem Ziel, Etter Ho, einen anerkannten R-Meister, durch dessen Bruder Wallace Ho zu ersetzen, bei dem, wie das Buchprüfer-Korps annimmt, es sich um die Person dort an der Wand handelt.«
»Interessanter Einfall«, meldete sich eine junge, leicht dickliche Frau mit dünnem Haar zu Wort, »aber doch wohl außerordentlich überspannt. Es ist unmöglich, einen Bürger gegen den anderen auszutauschen, geschweige denn, einen normalen Bürger als R-Meister unterzuschieben.«
»Wir verfügen über Beweise dafür, daß jemand sich unberechtigten Zugang zum Null-null-Archiv erschlichen hat«, entgegnete St. Onge, »und die Möglichkeit besteht, daß die Täter diese Personen dort waren, die die Tat begingen, um die Identifikationsdaten der beiden Brüder zu vertauschen. Gegenwärtig identifizieren die Unterlagen den Mann an der Wand als Wallace Ho und nicht Etter Ho, jedoch nehmen wir an, daß das nur darum so ist, weil die Verschwörer bei ihrem Versuch, die Daten zu vertauschen, einen Fehlschlag erlitten haben.«
»Wenn die Daten im Null-null-Archiv den Mann hier am Tisch als den echten R-Meister identifizieren«, sagte ein dicker Mann an Saya Sorensons Seite, »warum dann der ganze Wirbel? Im Namen der Sektion Sonderangelegenheiten schlage ich vor, daß wir diesen Mann, der sitzt, als R-Meister bestätigen und die anderen nach Maßgabe der Gesetze als Kriminelle behandeln.« Er schaute in die Runde.
»Falls die Versammlung diesen Entschluß fällt, gewiß«, sagte St. Onge. »Im Namen des Gesetzes jedoch muß ich daran erinnern, daß wir uns mit der Wahrscheinlichkeit einer unrechtmäßigen Aneignung von Null-null-Informationen zu befassen haben, im Zusammenhang mit einer möglichen Gesetzwidrigkeit ...«
»Aber, aber, Patrick«, meinte der Dicke, »du brauchst uns keinen Vortrag zu halten. Selbstverständlich muß den Gesetzen Genüge getan werden, doch das ist nicht unsere Sache.«
»Darin stimme ich mit der Sektion Sonderangelegenheiten überein«, erklärte die junge untersetzte Frau. »Für die Sektion Soziales möchte ich betonen, daß wir Wichtigeres zu tun haben, als über gewöhnliche Kriminelle zu Gericht zu sitzen.«
»Aber ist dies ein gewöhnlicher Kriminalfall?« wandte Wilson ein. »Immerhin geht es um die Beeinträchtigung der Sicherheit des Null-null-Archivs sowie um den anmaßenden Versuch einer Person, zum
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