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Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne)

Titel: Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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abends.«
    »Und wohin, wenn ich fragen darf?«
    »Über die Straße.«
    »Kurz und bündig.«
    Raskolnikow gab seine Antworten scharf und kurz, so bleich wie ein Taschentuch, ohne seine schwarzen entzündeten Augen vor den Blicken Ilja Petrowitschs zu senken.
    »Er steht kaum auf den Beinen, und du ...« bemerkte Nikodim Fomitsch.
    »Macht gar nichts!« sagte Ilja Petrowitsch in einem eigentümlichen Tone.
    Nikodim Fomitsch wollte noch etwas hinzufügen, blickte aber den Sekretär an, der ihn gleichfalls sehr aufmerksam ansah, und sagte nichts. Plötzlich waren alle verstummt. Es war sehr sonderbar.
    »Nun, schön,« schloß Ilja Petrowitsch, »wir wollen Sie nicht aufhalten.«
    Raskolnikow ging hinaus. Er konnte noch hören, wie nach seinem Weggehen plötzlich ein lebhaftes Gespräch begann, in dem am lautesten die fragende Stimme von Nikodim Fomitsch tönte ...
    Auf der Straße kam er ganz zu sich.
    »Eine Haussuchung, jetzt gleich kommt die Haussuchung!« wiederholte er vor sich hin und beeilte sich, sein Haus zu erreichen. »Diese Räuber! Sie verdächtigen mich!« Die frühere Angst packte ihn wieder vom Kopf bis zu den Füßen.
     
II
     
    »Was, wenn die Haussuchung schon gewesen ist? Wenn ich sie bei mir antreffe?«
    Da ist aber schon sein Zimmer. Nichts und niemand; niemand hat hereingeblickt. Selbst Nastasja hat nichts angerührt ... Aber, Gott! Wie konnte er bloß vorhin alle diese Sachen in diesem Loche zurücklassen?
    Er stürzte in die Ecke, steckte die Hand unter die Tapete und begann die Sachen hervorzuholen und sie sich in die Taschen zu stopfen. Es waren im ganzen, wie er jetzt sah, acht Stück: zwei kleine Schächtelchen mit Ohrringen oder ähnlichen Dingen, – er hatte sie nicht genau untersucht; dann vier kleine Etuis aus Safian. Eine Uhrkette war einfach in Zeitungspapier eingewickelt. Dann war noch ein Gegenstand in Zeitungspapier, wohl ein Orden ...
    Er steckte alles in die verschiedenen Taschen, in den Mantel und in die noch übriggebliebene rechte Hosentasche, wobei er sich Mühe gab, die Sachen so zu verteilen, daß man von außen nichts sehen konnte. Den Beutel nahm er mit den übrigen Sachen mit. Dann ging er aus dem Zimmer und ließ diesmal die Tür weit offenstehen.
    Er ging schnell und sicher, obwohl er sich am ganzen Leibe zerschlagen fühlte, aber sein Bewußtsein war klar. Er fürchtete, daß man ihn verfolgen würde, daß vielleicht schon nach einer Viertelstunde der Befehl ergehen würde, ihn zu beobachten; also mußte er um jeden Preis, noch solange er Zeit hatte, alle Spuren verwischen. Er mußte es erledigen, solange er noch etwas Kraft und Überlegung hatte ... Wohin sollte er aber gehen?
    Das war schon längst beschlossen: »Alles in den Kanal werfen, und die Sache ist erledigt.« Das hatte er noch nachts im Fieber beschlossen, in den Augenblicken – er konnte sich ihrer noch erinnern –, als er einige Male aufzustehen und fortzugehen versuchte: »Schneller, schneller, alles fortwerfen!« Es zeigte sich aber, daß es sehr schwer war, die Sachen fortzuwerfen.
    Er ging schon seit einer halben Stunde, vielleicht auch länger, am Kai des Katharinenkanals auf und ab und blickte auf die zum Kanal hinabführenden Stufen, sooft er an solchen vorüberging. Er durfte aber nicht mal daran denken, seinen Plan auszuführen: entweder lagen dicht vor den Stufen Flöße, auf denen Wäscherinnen ihre Arbeit verrichteten, oder Kähne, überall wimmelte es von Menschen, und von allen Seiten konnte man es sehen und ihn sich merken; es ist doch verdächtig, daß ein Mensch absichtlich hinabgegangen und stehengeblieben ist und etwas ins Wasser wirft. Und wenn die Etuis nicht untergehen, sondern weiterschwimmen? Natürlich wird es so sein. Ein jeder wird es sehen. Schon ohnehin schauen ihn die Leute so aufmerksam an, als ob sie sich nur für ihn allein interessierten. »Warum ist das so, oder kommt es mir nur so vor?« dachte er.
    Endlich fiel es ihm ein, daß es vielleicht besser wäre, irgendwohin an die Newa zu gehen. Dort sind weniger Menschen, dort ließe es sich weniger auffällig und jedenfalls bequemer machen, und, was wohl das wichtigste ist, das wäre weit weg von hier. Und plötzlich staunte er: eine halbe Stunde war er voller banger Unruhe an dieser gefährlichen Stelle herumgegangen und hatte an diese Möglichkeit gar nicht gedacht. Eine volle halbe Stunde hatte er für dieses unsinnige Beginnen geopfert, nur weil es einmal im Traume, im Fieber so beschlossen war! Er wurde immer

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