Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier)

Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier)

Titel: Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michajlowitsch Dostojewskij
Vom Netzwerk:
Sie dann jetzt, als ich von der Straße durchs Fenster hereinsah, sich zu verstecken, und wollten weggehen? Ich habe es sehr gut bemerkt.«
    »He-he! Und warum lagen Sie, als ich auf der Schwelle stand, mit geschlossenen Augen auf Ihrem Sofa und stellten sich schlafend, während Sie gar nicht schliefen? Ich habe es sehr gut bemerkt.«
    »Ich konnte ... Gründe haben ... Sie wissen es selbst.«
    »Auch ich konnte meine Gründe haben, obwohl Sie sie nicht wissen.«
    Raskolnikow stemmte den rechten Ellenbogen gegen den Tisch, stützte mit den Fingern der rechten Hand sein Kinn und sah Swidrigailow unverwandt an. Eine Minute lang betrachtete er dieses Gesicht, das ihn auch früher schon in Staunen gesetzt hatte. Dieses merkwürdige Gesicht erinnerte irgendwie an eine Maske: weiß, rotwangig mit hellroten Lippen, mit hellblondem Vollbart und noch ziemlich dichten hellblonden Haaren. Die Augen waren zu blau und ihr Blick zu schwer und unbeweglich. Etwas furchtbar Unangenehmes lag in diesem hübschen und für sein Alter auffallend jugendlichen Gesicht. Swidrigailows Kleidung war elegant, sommerlich und leicht, besonders viel schien er auf elegante Wäsche zu geben. An einem Finger trug er einen großen Ring mit wertvollem Stein.
    »Soll ich mich denn auch noch mit Ihnen plagen?« sagte plötzlich Raskolnikow, mit krampfhafter Ungeduld den geraden Weg einschlagend. »Sie sind vielleicht auch der gefährlichste Mensch, wenn es Ihnen einfällt, mir zu schaden, aber ich möchte nicht noch länger Komödie spielen. Ich will Ihnen gleich zeigen, daß ich um mich selbst gar nicht so besorgt bin, wie Sie wohl annehmen. Hören Sie also: Ich bin gekommen, um Ihnen offen zu erklären, daß, wenn Sie Ihre früheren Absichten gegenüber meiner Schwester noch verfolgen und dabei etwas von dem, was Sie in der jüngsten Zeit erfahren haben, auszunützen gedenken, ich Sie töten werde, bevor Sie mich ins Zuchthaus bringen. Mein Wort ist zuverlässig, Sie wissen, daß ich es wirklich halten werde. Und zweitens, wenn Sie mir irgend etwas erklären wollen – mir schien die ganze Zeit, daß Sie mir etwas sagen möchten –, so erklären Sie es mir schnell, denn die Zeit ist kostbar, und vielleicht wird es sehr bald zu spät sein.«
    »Wohin eilen Sie denn so?« fragte Swidrigailow, ihn neugierig betrachtend.
    »Ein jeder hat seine Wege«, versetzte Raskolnikow düster und ungeduldig.
    »Sie haben mich doch eben selbst zu Offenherzigkeit herausgefordert und wollen schon meine erste Frage nicht beantworten«, bemerkte Swidrigailow mit einem Lächeln. »Sie glauben immer, daß ich irgendwelche Ziele verfolge, und betrachten mich darum argwöhnisch. Nun, in Ihrer Lage ist es ja vollkommen begreiflich. Aber wie sehr ich auch wünschte, Ihnen näherzukommen, werde ich mich doch nicht der Mühe unterziehen, Sie vom Gegenteil zu überzeugen. Bei Gott, das Spiel ist nicht die Kerzen wert, und ich hatte auch nicht die Absicht, mich mit Ihnen über etwas Besonderes zu unterhalten.«
    »Wozu brauchen Sie mich dann? Sie scherwenzeln doch die ganze Zeit um mich herum!«
    »Sie interessierten mich einfach als ein Beobachtungsobjekt. Sie gefielen mir durch das Phantastische Ihrer Lage, das ist es! Außerdem sind Sie der Bruder der Person, die mich sehr interessierte, und schließlich habe ich von derselben Person seinerzeit sehr viel und oft über Sie gehört, woraus ich schloß, daß Sie auf sie einen großen Einfluß haben; genügt denn das noch nicht? He-he-he! Übrigens muß ich gestehen, daß Ihre Frage für mich sehr kompliziert ist und es mir schwer fällt, sie Ihnen zu beantworten. Zum Beispiel: Sie sind doch jetzt zu mir nicht bloß in der gewissen Angelegenheit gekommen, sondern Sie wollen auch etwas Neues hören. Nicht wahr? Nicht wahr?« sagte Swidrigailow eindringlich, mit einem listigen Lächeln. »Nun, denken Sie sich: ich selbst rechnete während meiner Reise hierher im Eisenbahnwagen darauf, daß auch Sie mir etwas Neuessagen werden und daß es mir gelingen wird, von Ihnen etwas zu profitieren! Sehen Sie, so reich sind wir beide!«
    »Was denn profitieren?«
    »Was soll ich darauf sagen? Weiß ich denn, was? Sehen Sie doch, in was für einer Spelunke ich die ganze Zeit sitze, und das ist mir ein Genuß, das heißt: weniger ein Genuß, aber der Mensch muß doch irgendwo sitzen. Nehmen wir zum Beispiel diese arme Katja, Sie haben sie doch gesehen? ... Wäre ich doch wenigstens ein Vielfraß, ein Klubmensch und Feinschmecker, aber ich bin

Weitere Kostenlose Bücher