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Verbrechen und Strafe

Verbrechen und Strafe

Titel: Verbrechen und Strafe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michajlowitsch Dostojewskij
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war er gleich zu Porfirij gelaufen ... warum hat aber jener angefangen, ihn irrezuführen? Was für eine Absicht verfolgt er, wenn er Rasumichins Verdacht auf Mikolka lenkt? Er führt gewiß etwas im Schilde, er hat Absichten, aber was für welche? Allerdings war seit jenem Morgen viel Zeit vergangen, viel zu viel Zeit, und Porfirij hat von sich bisher nichts hören lassen. Nun, das ist natürlich schlimm ... – Raskolnikow nahm nachdenklich seine Mütze und wollte das Zimmer verlassen. Es war der erste Tag seit dieser ganzen Zeit, daß er sich wenigstens bei klarem Verstand fühlte. – Ich muß erst mit Swidrigailow fertigwerden – dachte er, – und zwar unbedingt so schnell als möglich; auch der scheint zu warten, daß ich zu ihm komme. – In diesem Augenblick erhob sich in seinem müden Herzen solch ein Haß, daß er imstande gewesen wäre, einen von den beiden zu ermorden: Swidrigailow oder Porfirij. Er fühlte wenigstens, daß er imstande sei, es wenn nicht jetzt so später zu tun. – Wir wollen sehen, wir wollen sehen! – wiederholte er vor sich hin.
    Kaum hatte er aber die Tür zum Flur geöffnet, als er plötzlich mit Porfirij selbst zusammenstieß. Jener kam eben zu ihm. Raskolnikow erstarrte für einen Augenblick, aber nur für einen Augenblick. Seltsamerweise war er über Porfirijs Besuch nicht sehr erstaunt und fast nicht erschrocken. Er zuckte nur zusammen, machte sich aber schon im nächsten Augenblick auf alles bereit. – Vielleicht ist das die Lösung! Wie leise ist er aber gekommen, wie eine Katze, und ich habe nichts gehört! Hat er vielleicht an der Tür gehorcht? –
    »Sie haben wohl den Gast nicht erwartet, Rodion Romanowitsch?« rief Porfirij lachend. »Ich hatte schon längst die Absicht, Sie mal zu besuchen. Wie ich eben vorbeiging, dachte ich mir: Warum soll ich nicht für fünf Minuten hinaufgehen? Sie wollen ausgehen? Ich werde Sie nicht aufhalten. Bloß eine Zigarette will ich bei Ihnen rauchen, wenn Sie gestatten.«
    »Setzen Sie sich doch, Porfirij Petrowitsch. Setzen Sie sich, bitte«, begrüßte Raskolnikow seinen Gast mit einem scheinbar so zufriedenen und freundlichen Ausdruck, daß er wohl selbst über sich erstaunt wäre, wenn er sich hätte sehen können.
    Nun galt es den letzten Rest seiner Kraft zusammenzunehmen! So zittert ein Mensch zuweilen eine halbe Stunde vor Todesangst vor einem Räuber; wenn ihm aber jener endgültig das Messer an die Gurgel setzt, so verschwindet die ganze Angst. Er setzte sich Porfirij gegenüber und sah ihn ohne zu zwinkern an. Porfirij kniff die Augen zusammen und begann sich eine Zigarette anzustecken.
    – Sprich doch, sprich doch – drängte es sich aus dem Herzen Raskolnikows: – Nun, warum sagst du nichts? –
II
    »Ja, auch diese Zigaretten!« begann endlich Porfirij Petrowitsch, nachdem er die Zigarette angesteckt und Atem geholt hatte. »Sie sind schädlich, furchtbar schädlich, und doch kann ich das Rauchen nicht aufgeben! Ich huste, im Halse kratzt es, und ich leide Atemnot. Wissen Sie, ich bin ängstlich und ging darum neulich zu B. – er untersucht jeden Patienten mindestens eine halbe Stunde lang; als er mich sah, lachte er sogar; er klopfte und horchte an mir herum und sagte schließlich: ›Das Rauchen ist für Sie nichts, Ihre Lunge ist erweitert.‹ Wie soll ich aber das Rauchen aufgeben? Wodurch soll ich es ersetzen? Ich trinke doch nicht, das ist mein ganzes Unglück! He-he-he, es ist ein Unglück, daß ich nicht trinke! Alles ist doch relativ, Rodion Romanowitsch, alles ist relativ!«
    – Fängt er schon wieder mit seinen alten Kunststücken an? – dachte Raskolnikow angeekelt. Die ganze letzte Szene zwischen ihnen kam ihm plötzlich in den Sinn, und dasselbe Gefühl wie damals erfüllte seine Seele.
    »Ich war schon einmal bei Ihnen, vorgestern abend; Sie wissen es gar nicht?« fuhr Porfirij Petrowitsch fort, sich im Zimmer umsehend. »Ich bin hier in diesem Zimmer gewesen. Ebenso heute; ich gehe gerade vorbei und denke mir: Ich will ihn mal besuchen. Ich komme herauf, die Tür steht weit offen; ich sah mich um, wartete und meldete mich nicht mal bei ihrer Dienstmagd, und dann ging ich wieder fort. Sie pflegen Ihr Zimmer nicht abzuschließen?«
    Raskolnikows Gesicht verfinsterte sich immer mehr. Porfirij hatte seine Gedanken gleichsam erraten.
    »Ich komme her, liebster Rodion Romanowitsch, um mich mit Ihnen auszusprechen! Ich bin Ihnen eine Erklärung schuldig«, fuhr er mit einem Lächeln fort und klopfte ihn

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