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Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)

Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)

Titel: Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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    Ishím Voróo (Jenseitiges Land), Dsôn Sòmran, Dsôn, im nördlichen Ausläufer des Grauen Gebirges, 5427. Teil der Unendlichkeit (6241. Sonnenzyklus), Frühling
    Firûsha vernahm die Töne der Beinflöten, der Pauken, Fideln und zahlreichen anderen Instrumente, die leise hinauf bis zu ihr ans offene Fenster drangen.
    Sie hielt die Augen geschlossen, lauschte den nächtlichen Melodien, die sich mischten und trotzdem zueinander passten. Ein Wettstreit tobte unter den Musikern, bei dem die Harmonie des Ganzen an erster Stelle stand. Es schien sich um Sehnsüchte zu drehen; die Stücke rührten das Herz und die Seele, weckten Erinnerungen und den Wunsch, lange vermisste Albae wiederzusehen.
    Heute geben sie sich besondere Mühe. Als wüssten sie es. Firûsha spürte, wie sich ihre Vorfreude steigerte. Bald waren sie vereint, die dreifachen Geschwister, die Drillinge und gleichzeitig einmalige Besonderheit der Stadt!
    Sie hatte erlesene Garderobe ausgesucht. Das perfekt sitzende weiße Kleid mit den schwarzen Stickereien betonte ihren schlanken Leib. Die langen Ärmel und die Schleppe raschelten leise, sobald sie sich bewegte.
    Jeden Atemzug wollte sie im Beisein ihrer Brüder genießen, denn lange würde das Zusammentreffen nicht währen. Sie erklommen nach einer kurzen Unterbrechung, um Körper und Geist die nötige Erholung zu gönnen, die nächste Stufe ihrer Ausbildungen: die Lehre bei Meistern. Sie wollte Sängerin werden, ihr Bruder Sisaroth ein Priester der Infamen und Tirîgon ein stattlicher Krieger.
    Es kann nicht mehr lange dauern. Firûsha musste die Lider nicht heben, um sich Dsôn vorzustellen. Sie kannte den Anblick auswendig wie das Innere des Hauses, in dem sie zusammen mit ihrer Mutter lebte und das sie demnächst verließ. Um in der Kunst des Gesangs zu wachsen und Dsôn Sòmran zu begeistern.
    Das Gebäude, in dem Firûsha ihre frühsten Momente verbracht hatte, beschränkte sich auf bescheidene elf Zimmer für ihre Familie. Dazu kamen die Räumlichkeiten der Sklaven, Küchen- und Badetrakt und fünf weitere Räume für Kampfübungen, Gastübernachtungen oder Feste.
    Ihr Haus lag an einer der höchsten Stellen des Steinkessels von Dsôn, thronte über den meisten anderen Behausungen und verdeutlichte den gesellschaftlichen Rang derer, die daraus entstammten. Es gab höchstens zwei Dutzend weitere Albaenamen, die mehr galten.
    Mutter mochte es noch nie, mit ihrem Namen und ihrem Ansehen zu prahlen. Firûsha dachte an die Neider in der Stadt, die keinerlei Ansatz fanden, um Ranôria zu stürzen und in der Gnade des Statthalters Aïsolon sinken zu lassen. Seit der Geburt der Drillinge galt sie beinahe als göttlich und den Unauslöschlichen nahe. Die Seltenheit von Nachwuchs und dazu die hohe Sterblichkeit der Neugeborenen unterstrich die Außerordentlichkeit ihrer Mutter.
    Ihr zu schaden wird allein deswegen nicht gelingen, weil Aïsolon noch immer starke Empfindungen für sie hegt. Sie ist die Mutter seiner Kinder. Firûsha musste lachen. Mein Vater wird sie ewig lieben. Sicherlich denkt er an sie, wenn er die Lieder der Barden hört.
    Firûsha vernahm an dem leisen Geräusch, dass die Klinke behutsam nach unten gedrückt wurde. Jemand versuchte, sie zu überraschen.
    Dafür war Firûshas Gehör zu fein. Sie wandte den Kopf zum Eingang des Raumes, dessen Wände die schönsten Motivteppiche zierten. Handgeknüpft, von den Meistern ihrer Zunft. Geschenke an ihre Mutter, als Zeichen der Ehrerbietung an eine unerreichte Sängerin.
    Die Tür schwang auf.
    Herein trat ein hochgewachsener Alb mit ernstem Gesicht, das die Freude zu verbergen suchte, aber die stahlblauen Augen sprühten verräterisch vor Glück. Für das Wiedersehen mit seinen Geschwistern hatte er sein tiefdunkelrotes Gewand angelegt, das beinahe schwarz erschien und schimmerte, weil es mit Silberfäden durchwirkt war. An seinem Gürtel hing ein aufwendig gearbeiteter Zeremoniendolch.
    »Bei den Infamen! Sisaroth, du siehst so … anders aus!« Firûsha eilte weg vom Fenster und auf ihren Bruder zu, warf sich lächelnd in seine Arme. Ihre baren Füße erzeugten keinerlei Geräusch auf dem Steinmosaikboden aus grau schattierten Plättchen. »Endlich habe ich dich wieder!«
    Er lachte und gab ihr einen langen Kuss auf den schwarzen Schopf, neben dem Diamantendiadem. »Ich weiß, was du meinst. Meine Muskeln wurden durch die Übungseinheiten straff wie gespannte Taue. Aber ich jammere sicherlich nicht.« Er drückte sie an sich.

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