Verschleppt ins Tal Diabolo
musste den Hörer nehmen.
„Du weißt, was du zu sagen
hast. Gib dir Mühe!“
Julia hörte das Läuten durch
die Leitung — das Läuten zu Hause in der großen Kamindiele ihres Elternhauses.
Wer würde abheben? Ihr Vater, der Juwelier Martin Lockstett? Oder Helene,
Julias Mutter?
Jetzt! Mamas samtweiche Stimme.
„Helene Lockstett.“
„Mama, ich bin’s. Bitte,
erschrick nicht. Man... hat mich gekidnappt. Ich weiß nicht, wo ich bin.“ Das
musste sie sagen. „Ich bin in der Gewalt von zwei Männern. Die... die haben
mich verschleppt. Ich bin das Druckmittel. Verstehst du? Damit Papa... Bitte,
tut, was sie verlangen. Der eine wird gleich mit dir sprechen. Denk an den
Film, den wir zusammen in Wien gesehen haben. Nebel-des-Grauens — wenn Papa
nicht gehorcht, wird es mir genauso ergehen.“
„Kind!“, schrie Helene
Lockstett. „Julia — das kann doch nicht... das kann doch nicht sein.“
„Das reicht!“, fuhr der
Frankenstein-Typ dazwischen. Er riss ihr den Hörer weg: „Heh, Madame Lockstett!
Jetzt sperren Sie mal Ihre Ohren auf!“
*
Von Mal zu Mal wurde der
Unbekannte gefährlicher, befand Tim. Und damit hatte er zweifellos Recht.
Der unbekannte Bombenleger
hatte sich selbst einen Namen gegeben: Die rechte Hand des Satans.
Das klingt nicht nur schaurig,
dachte Tim, sondern auch anspruchsvoll. Die so genannte rechte Hand von
jemandem ist ja immer der zweitwichtigste Mann in der Firma; und die Hölle mit
dem Satan als Boss ist schließlich eine uralte und gefürchtete Institution.
Seit zwei Monaten versteckte
der Bombenleger seine Höllenmaschinen in der Stadt. Elf bisher. Sie
detonierten. Bisher hatten sie nur Sachschaden angerichtet, der aber ständig
größer wurde. Noch war niemand verletzt worden.
An diesem Nachmittag kurz nach
16 Uhr waren Tim, Karl, Klößchen und Gaby im Polizei-Präsidium. Aber nicht bei
Gabys Vater, denn Kommissar Glockner war zurzeit dienstunfähig. Er lag im
Krankenhaus, in der Stadtrand-Klinik, die für ihre medizinischen Wundertaten
bekannt ist. Allerdings — eines Wunders bedurfte es bei Emil Glockner nicht. Er
hatte einen sauberen Oberschenkel-Durchschuss. Die verirrte Pistolenkugel eines
durchgeknallten Junkies hatte ihn versehentlich getroffen. Ganz aus Versehen —
denn der Typ hatte sich — 30 Meter entfernt — anlässlich einer Razzia auf
Dealer von Glockners Leuten widerstandslos festnehmen und entwaffnen lassen.
Beim Aushändigen der Pistole hatte sich der Schuss gelöst, erst die beiden
Schaufenster eines Eckgeschäftes durchschlagen und dann Glockners Bein.
Entsetzen zu Hause. Margot
Glockner und Gaby — beide hatten geweint. Aber inzwischen ging’s dem Kommissar
wieder gut, sieht man davon ab, dass er sich entsetzlich langweilte.
Im Büro nebenan versuchte nun
Inspektor Bienert, Glockners Freund, mit den wichtigsten Fällen fertig zu
werden. Bienert wurde ,Wespe‘ genannt, war 28 und verstieß gegen jede
Kleiderordnung. Heute trug er Cowboy-Stiefel, eine sackartige Skateboarder-Hose
und ein T-Shirt mit Ketchup-Flecken. Wespe hatte kohlschwarze Brauen und blond
gefärbte Haare, die er kurz trug und mit Gel zu 25 kleinen Türmchen geformt
hatte. Als Beamter war er unmöglich, konnte aber trotzdem auf Karriere hoffen,
denn er war schlau und wespenfleißig.
„Vorgestern“, sagte er — und
grinste Gaby halb-verliebt an, „hat sich Satans-Rechte zum ersten Mal gemeldet.
Hat also Kontakt aufgenommen mit uns — und ist telefonisch bei mir gelandet.
Wie’s ja dann gestern in der Zeitung stand.“
„Wenn du meine Gaby mit Blicken
verschlingst“, sagte Tim, „kippe ich dich aus deinen Kuhtreiber-Latschen.
Außerdem ist sie minderjährig und die Tochter deines Vorgesetzten, Wespe. Wie
hat er sich vorgestellt, der Kerl?“
„Meine Bewunderung für Gaby
kann ich nur schwer unterdrücken, Häuptling. Er hat gesagt, er sei der
Bombenleger, nach dem wir suchen, er sei die rechte Hand des Satans und jetzt
gehe es erst richtig los. Jetzt würde er seine Bomben so platzieren, dass
Menschen verletzt werden. Mit etwa zehn weiteren Anschlägen müssten wir
rechnen. Dann wäre wohl der Boden bereitet für eine ansehnliche Entschädigung —
für eine Million Euro. Übrigens hat er eine raue Stimme, echt rau, nicht
verstellt.“
Gaby hatte genervt die Augen
verdreht und hakte jetzt nach: „Entschädigung? Wofür?“
„Dafür, dass er aufhört mit
seinen Anschlägen, liebste Gaby.“
Tim stöhnte auf. „Sie ist meine
liebste Gaby, du
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