Warum Sex Spass macht
Dasselfliege, ein Stechinsekt, das Rinder befällt und zum Wahnsinn treiben kann. Ein Pavianweibchen gibt während des Östrus seine einmonatige sexuelle Enthaltsamkeit auf und paart sich bis zu hundertmal, und weibliche Magots, eine Affenart, zu der unter anderem die Affen von Gibraltar gehören, treiben es im Durchschnitt alle siebzehn Minuten, wobei sie ihre Gunst jedem Männchen des Rudels mindestens einmal zuteil werden lassen. Monogame Gibbonpaare leben mehrere Jahre ohne Sex, bis das Weibchen sein Jüngstes entwöhnt hat und wieder in den Östrus eintritt. Und sobald das Weibchen schwanger ist, fallen die Gibbons erneut in Enthaltsamkeit.
Wir Menschen dagegen praktizieren Sex an allen Tagen des Zyklus. Prostituierte bieten ihn jeden Tag an, und Männer führen ihn aus, ohne sich darum zu kümmern, ob die Partnerin fruchtbar ist oder gerade einen Eisprung hat. Trotz jahrelanger Untersuchungen ist bis heute nicht einmal sicher, in welchem Stadium des Zyklus die Frauen am meisten Lust auf Sex haben – falls ihre Lust überhaupt zyklischen Schwankungen unterliegt. Deshalb findet Geschlechtsverkehr unter Menschen in der Mehrzahl der Fälle zu Zeitpunkten statt, zu denen keine Befruchtung möglich ist. Und wir haben Sex nicht nur zur »falschen« Zeit im Zyklus, sondern wir setzen ihn auch während der Schwangerschaft und nach den Wechseljahren fort, wenn wir sicher wissen, daß es nicht zur Befruchtung kommen kann. Viele meiner Freunde in Neuguinea fühlen sich verpflichtet, bis zum Ende der Schwangerschaft sexuell aktiv zu bleiben, denn sie glauben, die wiederholte Zufuhr von Samen liefere das Baumaterial für den Körper des Kindes.
Aus »biologischer« Sicht erscheint die menschliche Sexualität also als gewaltige Energieverschwendung – falls man der katholischen Lehre folgt und die Funktion der Sexualität mit der Befruchtung gleichsetzt. Warum signalisieren Frauen nicht eindeutig den Zeitpunkt des Eisprungs wie die meisten anderen weiblichen Tiere, so daß wir den Sex auf die Augenblicke beschränken könnten, in denen er uns nützt? In diesem Kapitel erörtere ich die Evolution des verborgenen Eisprungs, der fast ständigen Zugänglichkeit der Frauen und der Sexualität zum Vergnügen – eine Dreiheit seltsamer Verhaltensweisen, die ein Kernstück der menschlichen Sexualität bildet.
Jetzt sind Sie vielleicht zu dem Schluß gelangt, ich sei das Musterbeispiel eines Wissenschaftlers, der in seinem Elfenbeinturm sitzt und nach nicht vorhandenen Problemen sucht, um sie zu lösen. Ich höre schon, wie ein paar Milliarden Menschen auf der Erde protestieren. »Es gibt kein Problem, das man erklären müßte, außer der Frage, warum Jared Diamond so ein Idiot ist. Du verstehst nicht, warum wir andauernd Sex betreiben? Natürlich weil es Spaß macht!«
Aber leider sind Wissenschaftler mit dieser Antwort nicht zufrieden. Auch wenn Tiere Sex machen, sehen sie aus, als hätten sie Spaß dabei, soweit man das nach ihrer heftigen Beteiligung beurteilen kann. Bei Beutelmäusen scheint der Spaß sogar noch viel größer zu sein als bei uns, falls die Dauer ihres Geschlechtsaktes (bis zu zwölf Stunden) ein Zeichen dafür ist. Warum macht Sex aber den meisten Tieren nur dann Spaß, wenn das Weibchen auch befruchtet werden kann? Verhalten entwikkelt sich, genau wie die Anatomie, durch natürliche Selektion. Wenn Sex also erfreulich ist, muß auch für diese Tatsache die natürliche Selektion verantwortlich sein. Ja, Sex macht auch Hunden Spaß, aber nur zur richtigen Zeit: Sie haben wie die meisten Tiere ein gutes Gespür dafür entwickelt, sich nur dann mit Sex zu vergnügen, wenn er zu etwas nütze ist. Die natürliche Selektion begünstigt diejenigen Individuen, die aufgrund ihres Verhaltens die meisten Gene an ihre Nachkommen weitergeben. Wie kann es dazu beitragen, mehr Babys zu zeugen, wenn man so verrückt ist und Sex zu einer Zeit macht, da vermutlich kein Baby entstehen kann? Ein einfaches Beispiel dafür, wie zielgerichtet die sexuelle Betätigung bei den meisten Tierarten ist, bieten die Trauerschnäpper, eine Vogelart, die ich schon in Kapitel 2 beschrieben habe. Das Trauerschnäpperweibchen läßt die Kopulation in der Regel nur einige Tage vor der Eiablage zu, wenn die Eizellen zur Befruchtung bereitstehen. Hat sie mit dem Eierlegen begonnen, verschwindet ihre Lust auf Sex, und sie lehnt Annäherungsversuche von Männchen ab oder zeigt sich in dieser Hinsicht zumindest gleichgültig. Aber in einem
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