Seitensprung ins Glück
Die Personen
Roseanna Plow, geborene Pulkowski, 32 Jahre alt, etwas pummelig, verheiratet mit Teddy Stracuzza, der laut ihrer Mutter ein echter »Potz« (jiddisches Schimpfwort) ist. Sie arbeitet in der Arbeitsvermittlung für geistig Behinderte.
Helen Pulkowski, 74 Jahre alt, Roseannas Mutter, die nie ohne Zigarette in der Hand auftritt und sich regelmäßig in Roseannas Leben einmischt.
»Pulkowski«, 80 Jahre alt, Roseannas Vater – seit der Weltwirtschaftskrise in den Zwanzigerjahren hat er keinen vollständigen Satz mehr über die Lippen gebracht, doch die Liebe zu seiner Frau kommt eben auch ohne Worte aus.
Alexa Pulkowski, eine weitere Verwandte von Roseanna. In welcher Beziehung sie zu unserer pummeligen Protagonistin steht, wird hier allerdings noch nicht verraten.
Teddy Stracuzza, Roseannas Ehemann und ein echter »Potz«, weil er Roseanna mit deren bester Freundin Inga betrügt.
Inga Stockholm, Roseannas »beste Freundin«, die sich deren Ehemann Teddy unter den Nagel reißt – natürlich blond und gertenschlank, wer hätte das gedacht.
Mickey Hamilton, Geschäftsführer der SafeWay-Filiale auf Long Island und gelernter Metzger, wird daher von seinen Freunden »Ham« – Schinken – genannt.
Milton Beyer, 22 Jahre alt und bildschön. Er ist Roseannas liebster Schützling und total vernarrt in sie. Milton kümmert sich liebevoll um die Einkaufswagen in »Hams« Supermarkt und ist ein Meister darin, Lebensmittel in Tüten zu verpacken.
Eleanor Scudder, Roseannas zweitliebster Schützling, putzt in einer Zahnarztpraxis, die laut Dr. Sharpe noch nie zuvor so sauber war. Leider rastet sie beim Anblick roter Putzlappen total aus und legt nach getaner Arbeit ihr Nachthemd an, seit man sie einmal dort über Nacht vergessen hatte.
Marcie, 25 Jahre alt, Roseannas Kollegin und Freundin, die zugleich auch eine gute Freundin von Roseannas Mutter ist. Daher weiß sie auch über alles Bescheid, was in Roseannas Leben so passiert.
Sean Zambuto, Chef von Roseanna und Marcie und mit dieser auch liiert, obwohl er schon über 40 ist.
Johnny Bellusa tritt erst spät in Roseannas Leben, obwohl er für dieses eine entscheidende Rolle spielt …
1
Ein Potz!
Mein Name ist Roseanna Plow, und ich habe mich verkehrt herum durch den Geburtskanal geackert. Mein Leben lang hat meine Mutter mich anderen so vorgestellt. Nie hat sie mit Groll von meiner Geburt gesprochen, lediglich voller Verwunderung. Und es verblüfft meine Mutter immer noch, dass ich mich vor gut zweiunddreißig Jahren beim Verlassen ihres Leibes entschieden habe, diese Welt verkehrt herum zu betreten, ohne dabei auf die Unannehmlichkeiten zu achten, die ihr das vielleicht bescheren könnte, ihr, meiner barmherzigen Bäckerin, meiner ersten Gönnerin. Meine Mutter pflegte mich jedes Mal fest an ihre Seite zu drücken, wenn sie wieder einmal fremden Ohren von meiner Ankunft erzählte.
»Sie hat sich verkehrt herum durch den Kanal geackert«, erläuterte sie dann dem verblüfften Zuhörer, und ich spürte, wie sich ihr spitzer Hüftknochen in meine Wange drückte. Ich stellte mir vor, wie ich in einer Art Gondel, die von niemandem gesteuert wurde, auf Long Island zukam, verkehrt herum dahinglitt und in dem engen Kanal überall anstieß. Wenn meine Mutter dann geendet hatte, folgte immer ein Moment des Schweigens, so als erwartete sie von der Schulkrankenschwester, der neuen Nachbarin oder dem Grundschullehrer eine Erklärung dafür, warum ich mich wohl so entschieden haben mochte.
Ja, verkehrt herum, in der falschen Richtung. Das ist die passende Metapher für die vielen Zusammenstöße in meinem Leben – ständig geriet ich mit meiner Mutter aneinander, gerade ging die Beziehung mit meinem Mann Teddy in die Brüche, was meine Mutter natürlich vorhergesehen hatte (»Heirate jemand Vernünftigen«, hatte sie gesagt, als sie mir den marineblauen Hosenanzug zeigte, den sie bei meiner Hochzeit tragen wollte, »dann denke ich darüber nach, ob ich für die Kirche eventuell doch ein Kleid anziehe.«), und während der College-Zeit war es mir sogar gelungen, meinen Vater zu verärgern, indem ich meinen Namen von Pulkowski zu Plow geändert hatte.
Letzte Woche nötigte mein Mann mich, an unserem Küchentisch Platz zu nehmen, und erklärte mir mit ruhiger Stimme, dass er eine andere Frau liebe. Nicht irgendeine andere Frau, sagte er, sondern meine beste Freundin Inga. Und als wolle er sich der Vorhersage meiner Mutter bezüglich seiner Nichtsnutzigkeit
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