Was der Winter verschwieg (German Edition)
und flüsterte: „Ich werde wieder anfangen, Klavier zu spielen.“
20. KAPITEL
M it ihrem Minivan bog Sophie in die gut geräumte Straße ein, die zum Inn am Willow Lake führte. Auf dem Rücksitz saß Max. Er hatte Opal im Arm, rieb seine Nase an ihrer und sprach völlig selbstvergessen und in Babysprache mit dem kleinen Hund. Es war Sonntagabend, die einsamste Stunde der Woche für gewisse Menschen – nämlich den nicht sorgeberechtigten allein lebenden Elternteilen. Überall im Land übergaben Menschen wie sie ihre Kinder dem anderen Elternteil und fuhren allein nach Hause zurück, mit nichts als den Erinnerungen, die ihnen bis zum nächsten Besuchstag genügen mussten. Oder, wie in Sophies Fall, mit Erinnerungen und einem kleinen Welpen.
„Wie soll ich die Woche nur überstehen“, jammerte Max. „Ich wünschte, Opal könnte bei mir leben.“
Willkommen in meiner Welt, dachte Sophie. Max würde sich mit nachmittäglichen Besuchen und den Wochenenden begnügen müssen. Kam ihr irgendwie bekannt vor. Manchmal war es wirklich nicht leicht, Kompromisse zu schließen. „Ich werde mich gut um sie kümmern.“
„Das weiß ich. Aber es ist trotzdem nicht das Gleiche.“
„Du wirst wohl nicht umhinkommen, ein wenig Vertrauen in mich zu haben.“
„Das hab ich doch, Mom. Meine Güte.“
Das Inn sah aus wie das Filmset von „Doktor Schiwago“. Die Rasenflächen und Tennisplätze ganz in Weiß gehüllt, am Dach von Pavillon und Turm hingen große, glitzernde Eiszapfen. Das historische Hauptgebäude sah heimelig und einladend aus. Warmes Licht fiel aus den Fenstern auf den Schnee. Das Wohnhaus war groß und quadratisch und hatte, so wie alles im jetzigen Leben ihres Mannes, überhaupt keine Ähnlichkeit mit dem Zuhause, das sie einst in Manhattan miteinander geteilt hatten.
Was natürlich ganz richtig war. Nach der Scheidung hatten sie sich beide darangemacht, ein vollkommen neues Leben aufzubauen, denn das, was sie bis dahin gelebt hatten, hatte ja nicht funktioniert.
„Die Anlage sieht wirklich toll aus.“ Das sagte sie nicht nur, um nett zu sein, sondern weil es wirklich stimmte.
„Dad und Nina sind gerade dabei, das Inn für den Winterkarneval vorzubereiten. Der ist hier eine große Sache“, erklärte Max. „Ich glaube, sie sind sogar schon ausgebucht.“ Er gab dem Hund einen Kuss auf den Kopf und wurde dafür von Opal mit einem drollig anbetenden Blick bedacht. „Komm doch noch kurz mit rein.“
Sophie verkniff sich die Antwort, die ihr automatisch auf der Zunge lag.
Nein, ich muss gleich weiter.
Um Max’ willen würde sie es durchstehen. „Okay, aber nur eine Minute, damit du Opal deinem Dad zeigen kannst.“ Gemeinsam gingen sie den Weg zu dem hübschen, hell erleuchteten Haus hinauf.
Sophie fühlte sich in Gregs Welt äußerst unwohl, selbst wenn es nur für ein paar Minuten war. Es bereitete ihr keine körperlichen Schmerzen mehr, in seiner Nähe zu sein; nicht so wie früher einmal. Erstaunlicherweise war es ihr mittlerweile sogar möglich, ihn mit einer Art freundlichem Respekt zu betrachten. Er war jemand, den sie mal geliebt hatte. Jemand, den zu lieben jahrelang ihr Leben bestimmt hatte. Aber inzwischen hatten sie sich beide weiterentwickelt.
Diese Entschlossenheit, sich nach der Ehe wieder mit dem Leben als Single zurechtzufinden, hatte sie gerettet. Vielleicht hatte es sie alle gerettet, nachdem sie als Familie einmal durch die Mangel gedreht worden waren. Inzwischen gelang es Sophie sogar, ihre Ehe nicht mehr als Fehlschlag zu betrachten. Sie war nicht mehr länger die Überlebende einer gescheiterten Ehe, sondern konzentrierte sich darauf, erfolgreich eine neue Phase in ihrem Leben zu meistern. Das bedeutete, alles Mögliche zu überleben – von Terroristen bis zu Monstermoms auf dem Eishockeyplatz.
Sie folgte Max die Treppen hinauf. Sophie mochte es nicht, Einblicke in das Leben zu bekommen, das Greg sich mit Nina Romano aufgebaut hatte. Für Max jedoch schaltete sie in den Diplomatenmodus und setzte ein Lächeln auf, als sie das Haus betrat. Sie wartete in der Eingangshalle, die warm und einladend war und in der es nach Möbelpolitur mit Orangenaroma duftete.
„Dad“, rief Max. „Hey, Nina und Dad! Wir sind da. Kommt und guckt euch meinen Hund an.“
Gemeinsam betraten sie den Flur und begrüßten Sophie höflich, doch ihre Aufmerksamkeit war ganz auf den Neuzugang gerichtet. Max redete in Lichtgeschwindigkeit. Er erzählte so viele Geschichten über Opal, als
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