Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen
in dem Sinn «Welche Rolle spielt
in der Realität
das Wissen bei der Akzeptanz religiösen Glaubens?»
Die Fragestellung ist vielmehr in einem philosophischen Sinn gemeint, nämlich in dem Sinn «Ist religiöser Glaube rational vertretbar, oder steht er zu unserem Wissen im Widerspruch?» Und die Antwort auf diese Frage ist unabhängig davon, wie viele Menschen religiös sind und wie diese Menschen zum Glauben gelangt sind. Und sie ist ebenfalls unabhängig davon, wie viele Menschen
nicht
religiös sind und warum diese Menschen
nicht
zum Glauben gelangt sind. Im Prinzip kann religiöser Unglaube ebenso unvernünftig sein wie religiöser Glaube. Außerdem: Dass A aus irrationalen Motiven ohne Begründung etwas glaubt oder nicht glaubt, schließt keineswegs aus, dass die den Glauben oder Unglauben bildende Annahme
als solche
durchaus wahr und rational begründbar sein kann. Die Annahme, dass Drogenkonsumungesund ist, wird nicht dadurch falsch, dass A sie nur deshalb für wahr hält, weil er sie in seinem Horoskop gelesen hat.
Wie verhält sich also der Glaube an übernatürliche Wesen zu unserem Wissen? Wie steht es insbesondere um die Rationalität des Glaubens an den monotheistischen Gott? Nun, ganz offenbar ist dieser Gott kein unmittelbarer Gegenstand
empirischen
Wissens: Wir können Gott nicht mit unseren Sinnen wahrnehmen. Daraus folgt jedoch nicht, dass die Annahme Gottes nicht im Rahmen eines empirisch-wissenschaftlichen Weltbildes durchaus begründet sein kann oder dass sie zu einem solchen Weltbild im Gegensatz stehen muss.
Denn erstens können auch für die Wissenschaft Dinge Gegenstand der Erkenntnis sein, die selbst nicht unmittelbar wahrnehmbar sind, deren Existenzannahme jedoch für wahrnehmbare Gegenstände die bestmögliche Erklärung liefert. Man denke etwa an die Rolle, die Atome in der modernen Naturwissenschaft spielen (siehe S. 58). Und zweitens schließt die Tatsache, dass Gott trotzdem in keiner
Einzel
wissenschaft eine Rolle spielt, nicht die Möglichkeit aus, dass die Annahme seiner Existenz im Rahmen eines
gesamt
wissenschaftlichen Weltbildes für einige
allgemeine
Tatsachen die bestmögliche Erklärung bietet.
Einige Atheisten vertreten heute die Auffassung, die moderne Evolutionstheorie habe den Gottesglauben widerlegt. Diese Auffassung ist falsch. Widerlegt hat die Evolutionstheorie, falls zutreffend, den speziellen Schöpfungsbericht der Bibel über die Entstehung der Welt, keineswegs aber die philosophische Annahme, dass die Welt letztlich von einemGott erschaffen wurde, der die Entstehung des Lebens und seiner Evolution bis hin zur Entstehung des Menschen schon mit dem Schöpfungsakt selbst geplant und dabei die (noch leblose) Materie entsprechend programmiert hat.
Es gibt jedoch eine Reihe anderer Einwände, mit denen sich der Verteidiger der Annahme der Existenz Gottes, der Gotteshypothese, auseinandersetzen muss. Einer dieser Einwände lautet: Ist es wirklich nachvollziehbar, dass, wie der Monotheismus lehrt, Gott als ein rein geistiges, körperloses Wesen die aus Materie bestehende Welt aus dem Nichts erschaffen hat? Wie sieht es aus, wenn wir Menschen mithilfe unseres Geistes etwas sehr Kompliziertes – sagen wir: eine Uhr – herstellen? Nun, so anspruchsvoll unsere geistige Tätigkeit auch sein mag: Wir können weder eine Uhr noch sonst etwas, das wir mit unserem Geist entworfen haben, auch wirklich existent machen oder herstellen,
ohne
zu diesem Zweck 1. Materie zu benutzen, die wir bereits vorfinden, und 2. die Materie unseres eigenen Körpers, also unsere Augen, Hände, Muskeln usw. dabei einzusetzen.
Ist die Vorstellung, dass ein rein geistiges Wesen etwas Materielles wie die Welt erschafft, ohne dass diesem Wesen zu diesem Zweck schon
irgendeine
Materie zur Verfügung steht, nicht äußerst mysteriös? Und ist diese Vorstellung deshalb im Grunde nicht vielleicht noch schwerer nachvollziehbar als die Vorstellung, dass das Universum selbst schon immer existiert hat, womit die Hypothese eines Schöpfergottes überflüssig wird? Man möge darüber nachdenken. Eine Lösung könnte vielleicht darin bestehen, dass der Theist die Annahme der Schöpfung der Welt aus dem Nichtsaufgibt und Gott demgemäß nicht mehr als den Weltschöpfer versteht, sondern nur noch als ein mit der materiellen Welt fest verbundenes, geistiges Ordnungs- und Lenkungsprinzip.
Ein weiterer Einwand, der Beachtung verdient, ist dieser: Was spricht eigentlich dafür, dass es, wie der Monotheismus
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