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Wenn ein Reisender in einer Winternacht

Wenn ein Reisender in einer Winternacht

Titel: Wenn ein Reisender in einer Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Italo Calvino
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den Autor zu ihr hindrängt. Auch ich, der ich eigentlich anderes zu bedenken hätte, lasse mich gehen und rede mit ihr, beginne mit ihr ein Gespräch, das ich schleunigst abbrechen sollte, um mich zurückzuziehen und zu verschwinden. Sicher willst du jetzt mehr über sie erfahren, aber nur wenig wird auf der Seite von ihr erkennbar, ihr Gesicht bleibt verdeckt von Rauch und Haaren, man müßte herausfinden, was sich hinter dem bitteren Zug ihres Mundes verbirgt und nicht Bitterkeit ist.
    »Was für Geschichten erzählt man sich denn hier?« frage ich. »Ich weiß davon nichts. Ich weiß nur, daß Sie ein Geschäft ohne Leuchtreklame haben. Aber ich weiß nicht mal, wo es liegt.«
    Sie erklärt es mir. Es sei ein Geschäft für Lederwaren, Koffer und Reiseartikel. Es liege nicht gleich am Bahnhofsplatz, sondern in einer Seitenstraße, nahe dem Schrankenübergang zum Güterbahnhof.
    »Aber wieso interessiert Sie das?«
    »Ich wäre gern früher hier angekommen. Dann wäre ich durch die dunkle Straße gegangen, hätte Ihr helles Geschäft gesehen, wäre eingetreten und hätte zu Ihnen gesagt: Wenn Sie wollen, helfe ich Ihnen beim Herunterlassen des Rolladens.«
    Sie sagt, sie habe den Rolladen schon heruntergelassen, müsse aber wegen der Inventur noch einmal zurück ins Geschäft und werde bis spät dort bleiben.
    Es ist laut im Raum, die Gäste lachen und schlagen einander auf die Schultern. Eine der Wetten ist eben entschieden: Der Doktor betritt das Lokal.
    »Der Kommissar kommt heute wohl später; wer weiß, was er noch zu tun hat.«
    Der Doktor geht grüßend durch das Lokal; sieht seine Frau nicht an, hat aber sicher sofort bemerkt, daß ein Mann mit ihr spricht. Er geht am Tresen vorbei in den hinteren Teil des Lokals und steckt eine Münze in den Flipperautomaten. Jetzt bin ich, der ich hier unbemerkt durchkommen sollte, gemustert und registriert worden, fotografisch erfaßt von Augen, denen entgangen zu sein ich mir nicht vormachen kann, Augen, die nichts übersehen, niemanden je vergessen, der in einer Beziehung zum Gegenstand der Eifersucht und des Leidens steht. Diese ein wenig schweren und wäßrigen Augen genügen, um mir klarzumachen, daß zwischen den beiden das Drama noch nicht zu Ende ist: Er kommt weiterhin jeden Abend in dieses Cafe, um sie zu sehen, um sich die alte Wunde wieder aufreißen zu lassen, vielleicht auch um zu erfahren, wer sie diesmal nach Hause bringen wird, und sie kommt ebenfalls jeden Abend her, vielleicht um ihn zu quälen, vielleicht aber auch in der Hoffnung, daß er sich an das Leiden gewöhnt, bis es für ihn zu einer Gewohnheit wie jede andere wird und den Geschmack des Nichts annimmt, der seit Jahren schon ihrem Munde und ihrem Leben anhaftet.
    »Am liebsten würde ich«, sage ich, denn nun kann ich ebensogut auch weiterreden, »die Uhren zurücklaufen lassen.«
    Die Frau antwortet irgendwas wie: »Man braucht doch bloß die Zeiger zu drehen.«
    »Nein, ich meine in Gedanken, indem ich mich so konzentriere, daß ich die Zeit zurücklaufen lasse«, sage ich, aber es ist nicht ganz klar, ob ich das wirklich sage oder nur sagen möchte, oder ob vielleicht nur der Autor meine halb gemurmelten Sätze so auslegt. »Als ich hier ankam, war mein erster Gedanke: Vielleicht habe ich mich so stark darauf konzentriert, daß die Zeit eine volle Umdrehung rückwärts gemacht hat, und plötzlich stehe ich wieder auf dem Bahnhof, von dem ich einst abfuhr, er ist noch genauso wie damals, nichts hat sich verändert. Alle Leben, die ich hätte leben können, beginnen hier; da steht das Mädchen, das mein Mädchen hätte sein können und nicht gewesen ist, sie hat noch die gleichen Augen, das gleiche Haar. ..«
    Sie schaut sich um, als wollte sie mich verspotten; ich deute mit dem Kinn auf sie; sie hebt die Mundwinkel, wie um zu lächeln, hält inne - vielleicht weil sie sich's anders überlegt hat, vielleicht auch weil sie immer so lächelt. »Ich weiß nicht, ob das ein Kompliment sein soll, aber ich nehm's als eins. Und weiter?«
    »Und nun bin ich hier, bin wieder mein Ich von heute, mit diesem Koffer.«
    Es ist das erste Mal, daß ich den Koffer erwähne, obwohl ich immerzu an ihn denken muß.
    Sie sagt: »Heute ist wohl der Tag der quadratischen Rollenkoffer.«
    Ich bleibe ruhig, lasse mir nichts anmerken, frage: »Was meinen Sie damit?« »Ich habe heute so einen Koffer verkauft.« »An wen?«
    »An einen Fremden. Wie Sie. Er ist zum Bahnhof gegangen und abgefahren. Mit dem leeren

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