Wer den Tod begruesst
an seine Brust zu schmiegen und etwas von seiner Kraft auf sie zu übertragen – und durfte sie doch nicht einmal berühren, außer um sie aus einer Gefahrensituation zu bringen.
Was zum Teufel war los mit ihm? Er rieb sich das Gesicht. Vielleicht war es eine verspätete Reaktion auf die Art, wie sie ihn zuvor angeschaut hatte, auf ihn zugegangen war und diesen verdammten Vogel getragen hatte. Du meine Güte. Sie hatte geradezu gespenstisch ausgesehen, die Augen vor Entsetzen geweitet. Soweit er wusste, hatte sich der Mistkerl irgendwie Zugang zu ihr verschafft. Verdammt, er hatte damit gerechnet, Blut zu sehen. Ihr Blut. Und dieser Gedanke löste neue Besorgnis in ihm aus.
»Hier.« Er hielt ihr den Wein hin, ließ sich Zeit, atmete einmal tief durch, um sich wieder zu sammeln, und geriet erst recht in Schwierigkeiten, als ein schmaler, glitzernder Träger von ihrer Schulter glitt.
Allmächtiger, das Einzige, was er tun konnte, war hinzusehen. Und sich zu wünschen und darauf zu warten, dass sie ihn zurechtrückte. Das Problem war nur, dass sie überhaupt nicht zu merken schien, dass sie halb nackt dasaß.
Aber er. Und als er die Hand ausstreckte und seinen Finger unter den Träger steckte, wusste er noch nicht, in welche Richtung er diesen Träger ziehen würde.
Allein dieser kurze Kontakt – sein Finger auf ihrer warmen, seidigen Haut – erregte ihn derart, dass er fast in die Knie gesunken wäre.
Zweifellos, um sie anzuflehen. Lehn dich an mich. Ich sorge dafür, dass es dir besser geht. Ich sorge dafür, dass wir beide vergessen, dass das Leben grässlich sein kann und dass Sex – heiß, schnell und rücksichtslos – alles vergessen lässt.
Jedenfalls für eine kleine Weile.
Ich glaub, ich spinne.
Als sie hochsah und blinzelte, als wäre sie überrascht, ihn so nah bei sich zu sehen, zog er den Träger hoch.
»Trinken Sie.« Er drückte ihr das Glas in die Hand.
Dann trat er schnell zurück. Weit zurück.
Mechanisch hob sie das Glas an den Mund und trank.
»Mehr.«
Sie nahm einen großen Schluck, riss sich zusammen und sah ihn an. »Was bedeutet das, dass diese Person so ein Risiko eingeht?«
Sie hatte zwei Stunden Zeit gehabt, in der die Angst richtig schön hätte blühen, wachsen und gedeihen und ihre Selbstkontrolle wie ein Blutegel aussaugen können. Zwei Stunden, um aus dem Schock zu erwachen, hysterisch zu werden und sich als Opfer zu bedauern.
Warum ich? Warum passierte das mir? Warum haben Sie ihn nicht geschnappt? Warum tun Sie nicht irgendwas?
Er hatte mit jeder dieser Fragen und einigen mehr gerechnet. Mit Tränen, Jammern. Selbstmitleid. Und wieder einmal hatte er sie unterschätzt. Sie war weit davon entfernt, hysterisch zu werden. Stattdessen hatte sie es weggesteckt und die richtige Frage gestellt. Die einzig vernünftige Frage – dieselbe, die er sich auch gestellt hatte.
Was bedeutete das? Es bedeutete, dass diesem Psychopathen einer abging dabei, mit ihr zu spielen. Es bedeutete mehr Ärger. Es bedeutete, dass ihr bestimmt nicht gefiele, was er ihr zu sagen hatte.
Letzten Endes musste er gar nichts sagen. Sie hatte zwar etwas glasige Augen, aber sie hatte sich voll im Griff, als sie ihre eigenen Schlussfolgerungen zog.
»Es war ein großes Risiko, mir so nahe zu kommen mit all den potenziellen Zeugen und der Möglichkeit, erwischt zu werden.«
In ihrer Stimme lag eine gewisse Schroffheit, die ihm sagte, dass sie inzwischen eher wütend als verängstigt war. Gut gemacht, Mädchen, dachte er, schon wieder beeindruckt von ihrer Fähigkeit, sich nicht aus der Spur werfen zu lassen, sondern sich an den Riemchen ihrer Designerschuhe hochzuziehen und auf den nächsten Schlag gefasst zu machen.
»Ja«, stimmte er ihr zu. »Dieser Zug riecht nach Dummheit, Selbstvertrauen oder Verzweiflung – suchen Sie es sich aus. Was auch immer, das Spiel ist noch gefährlicher geworden.«
Sie schluckte, sah zum Fenster, das über die Stadt blickte. »Tolles Spiel.«
Als sie ihn wieder ansah, sah sie wieder verletzlich und gejagt aus, und ihr sexy Gesicht war so weiß wie ihr Kleid. Nichts konnte eine Prinzessin schneller von der neuen und unangenehmen Realität überzeugen, dass es Unruhe im Volk gab, als die hautnahe, persönliche Erfahrung mit dem Tod.
Sie hatte es noch nicht wirklich akzeptiert gehabt, das wurde ihm jetzt klar. Erst heute Nacht. Es war nicht nur die grässliche Botschaft mit dem toten Vogel – verdammt, als Reporterin musste sie schon Schlimmeres zu sehen
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