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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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anzuschauen, als er wolle.
    Die Einladung wurde angenommen.
    Der Fremde blieb nun in dem Schlosse. Er konnte das Gitter, den Turm, den Garten und die Gegend betrachten, so viel er nur immer wollte. Aber das Schicksal hatte auch noch ganz andere Zwecke mit seiner Reise verbunden. Alle gewannen ihn sehr lieb. Zwischen Lulu und ihm hatte sich das Verhältnis vollständig umgekehrt. So wie sie ihn in jener Nacht bewundert hatte, so konnte nun er von seiner Seite aus nicht aufhören und kein Ziel finden, das Mädchen zu bewundern. Und da er es dem Kinde schon in jener Nacht angetan hatte, und da er jetzt gar so gut und freundlich war, so konnte es nicht fehlen, daß auch ihn die Jungfrau bald außerordentlich liebte, und die Verehrung eine vollkommen gegenseitige war.
    Da er wegen des guten Verhältnisses, das sich mit allen angeknüpft hatte, und wegen des Wunsches aller immer länger im Schlosse blieb, da er sich über Stand und Vermögen auswies, ja sogar endlich ein benachbartes feil gewordenes Gut kaufte, um in der Gegend ansässig zu werden, so stand einem Bündnisse nichts entgegen, und die zwei Leutchen wurden in der Pfarrkirche des Dorfes ehelich eingesegnet.
    Und von nun an begann ein ruhiges, friedliches und glückliches Leben. Oft, wenn die Ehegatten in der Zukunft allein bei einander saßen, wenn er Lulu seine Freude und sein höchstes Glück auf dieser Welt nannte, sagte sie: »Wie hast du durch dein Herz die schönste Genugtuung gegeben, die du geben konntest.«
    »Es ist doch gut, daß ich ihn damals nicht erschlagen habe«, sagte noch lange und öfter der uralte, gleichsam immer kleiner werdende Schloßherr.
    Lulu lächelte jedes Mal bei dieser Rede, später lächelten auch Alfred und Julius und endlich alle, selbst der graue Lehrer, obgleich er der Schach- und Spaziergenosse des Schloßherrn geworden war.
    Die weißen Mäntel spielten noch lange eine Rolle in der Familie. Nicht nur trugen Alfred und Julius, die in dem kaiserlichen Heere dienten, weiße Mäntel, sondern auch der kleinere Alfred und der kleinere Julius, die Buben Lulus, hatten im Winter, wenn sie im Schlitten über die Ebene gefahren wurden, weiße Mäntel an, die aus jenem weißen Mantel entstanden waren, den der Vater angehabt hatte, als er auf seinem Zuge begriffen war, das alte eiserne Gitter zu suchen. Der Vater hatte mit den Waffen die weißen Mäntel abgelegt, und trug jetzt im Winter dunkle und ausgezeichnete Pelze.

Nachkommenschaften

So bin ich unversehens ein Landschaftsmaler geworden. Es ist entsetzlich. Wenn man in eine Sammlung neuer Bilder gerät, welch eine Menge von Landschaften gibt es da; wenn man in eine Gemäldeausstellung geht, welch eine noch größere Menge von Landschaften trifft man da an, und wenn man alle Landschaften, welche von allen Landschaftsmalern unserer Zeit gemalt werden, von solchen Landschaftsmalern, die ihre Bilder verkaufen wollen, und von solchen, die ihre Bilder nicht verkaufen wollen, ausstellte, welch allergrößte Menge von Landschaften würde man da finden! Ich rede hier gar nicht von verschämten Töchtern, welche in Wasserfarben heimlich eine Trauerweide malen, unter welcher irgend ein bekränzter: Krug steht, an dessen Fuße Vergißmeinnicht blühen, welches Werk die Mutter zum Geburtstage er halten soll; ich rede ferner nicht von den Erzeugnissen, welche reisende Frauen oder Mädchen von dem Dampf schiffe oder dem Fenster ihres Gasthauses aus in ihr Handbuch als Erinnerung eintragen; ich rede auch nicht von den Landschaften, welche Schönschreibmeister in ihre Verzierungen verflechten, noch von den Päcken Zeichnungen, welche alljährlich in den Fräuleinschulen verfertiget werden, unter denen sich viele Landschaften mit Bäumen befinden, auf denen Handschuhe wachsen – wenn man das alles hinzu zählte, so wären wir mit Land schaften überschüttet, und die Menschen müßten verzweifeln. Nun, es sind der in Ölfarben gemalten und mit Goldrahmen versehenen Landschaften schon genug. Und ich will nun auch noch so viele Landschaften mit Ölfarben malen, als in mein noch übriges Leben hinein gehen. Ich bin jetzt sechsundzwanzig Jahre alt, mein Vater ist sechsundfünfzig, mein Großvater achtundachtzig, und beide sind so rüstig und gesund, daß sie hundert Jahre alt werden können; mein Urgroßvater, mein Ururgroßvater und deren Großväter und Ururgroßväter sind nach der Überlieferung der Großmutter über neunzig Jahre alt geworden: wenn ich nun auch so alt werde, und stets

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