Werke
zur Nachtzeit höchst erbärmlich auf dem Sofa liegend im Wirtshause fand, gerade aller ihm künstlich hineinoperierten Sinne beraubt war. Mein Talisman wirkte, ich erkannte augenblicklich den schwarzen Hasenfuß und zwang ihn, mir selbst, wie es die Konstellation nun einmal wollte, die himmelblaue Brieftasche in die Hände zurückzugeben. – Bald muß sich alles aufklären.« –
Diesen Zeilen ist aus den Notizen des Barons Achatius von F. noch manches hinzuzufügen.
»Wo bleibt,« fragte Frau von G., die elegante Wirtin eines noch eleganteren Tees, »wo bleibt unser lieber Baron? Es ist ein herrlicher Jüngling, voller Verstand, hinreißender Bildung und dabei von einer Phantasie und einem seltnen Geschmack im Anzuge, daß ich ihn schmerzlich vermisse in meinem Zirkel.«
In dem Augenblick trat der Baron Theodor von S., der eben gemeint, hinein in den Saal, und ein leises Ah! flüsterte durch die Reihe der Damen.
Man bemerkte indessen bald eine gänzliche Änderung in des Barons ganzem Wesen. Fürs erste fiel allgemein die Nachlässigkeit im Anzuge auf, die beinahe die Grenzen des Anstandes überschritt. Der Baron hatte nämlich den Frack, ein Intervall der Knöpfe überspringend, schief zugeknöpft, die Brustnadel saß um zwei Finger breit zu tief auf dem Jabot, sowie die Lorgnette wenigstens anderthalb Zoll zu hoch hing; was aber durchaus unverzeihlich schien, der Lockenwurf des Haars war durchaus nicht dem ästhetischen Prinzip gemäß, vielmehr nach der Richtung, wie es auf dem Haupte gewachsen, aufgekämmt. Die Damen schauten den Baron ganz verwundert an, die Elegants würdigten ihn aber keines Wortes, keines Blickes. Das erbarmte endlich den Grafen von E. Er führte geschwinde den Baron in ein anderes entlegenes Zimmer, machte ihn auf die groben Verstöße in der Kleidung, die ihn um allen guten Ruf hätten bringen können, aufmerksam und half alles besser ordnen, indem er selbst mittelst eines Taschenkamms sinnreich und geschickt den Dienst des Haarkräuslers versah.
Als der Baron wieder in den Saal trat, lächelten ihn die Damen wohlgefällig an, die Elegants drückten ihm die Hände, die ganze Gesellschaft war erheitert. –
Zuerst wußte der Graf von E. gar nicht, was er aus dem Baron machen sollte. So schonend als möglich hatte er ihn die begangenen Verstöße merken lassen, damit ihn Schreck und Verzweiflung nicht zerschmettern solle, aber ganz gleichgültig, stumm und starr war er geblieben. Nun wußte aber bald die ganze Gesellschaft nicht, wie sie mit dem Baron beraten, denn ebenso gleichgültig, stumm und starr setzte er sich hin und gab auf alle Fragen der tee- und wortreichen Wirtin verkehrte lakonische Antworten. Man schüttelte unmutig den Kopf, nur sechs Fräuleins sahen verschämt errötend vor sich nieder, weil jede glaubte, der Baron sei in sie verliebt und deshalb so zerstreut und unordentlich im Anzuge. Hatten selbige Fräuleins wohl den Shakespeare und zwar: »Wie es Euch gefällt« gelesen? (Dritter Aufzug, zweite Szene.)
Eben war, nachdem man die Vortrefflichkeiten und Herrlichkeiten eines neuen aberwitzigen Balletts gehörig entwickelt und gerühmt, eine Stille entstanden, als der Baron, wie plötzlich aus einem tiefen Traum erwachend, laut rief: »Pulver – Pulver in die Ohren gestreut und dann angezündet – es ist fürchterlich – schrecklich – barbarisch!«
Man kann denken, wie alle ganz betroffen den Baron anschauten. »O sagen Sie,« sprach die Wirtin, »o sagen Sie, bester Baron, gewiß hat irgend etwas Ihre tiefste Phantasie aufgeregt, Ihre Brust ist zerrissen, Ihr ganzes Innres verstört? – Was ist es, sprechen Sie! O, es wird gewiß etwas höchst Interessantes sein?« – Der Baron war hinlänglich wach geworden, um zu fühlen, daß er wirklich selbst in diesem Augenblick höchst interessant sich gebärden könne. Er hob daher die Augen gen Himmel, legte die Hand auf die Brust und sprach mit bewegter Stimme: »O Gnädige! Lassen Sie mich das fürchterliche Geheimnis tief in meiner Brust bewahren, das keine Worte kennet, sondern nur den todbringenden Schmerz!« – Alle mußten erbeben vor diesen sublimen Worten, nur der Professor L. lächelte sarkastisch und – Doch sei es dem Autor erlaubt, bei Gelegenheit des Professors einige Worte einzuschalten über die sinnreiche Organisation unserer Tees, wie sie wenigstens in der Regel stattfindet. Der bunte Flor schön geputzter artiger Fräuleins und schwalbgeschweifter schwarzer oder blauer Jünglinge ist
Weitere Kostenlose Bücher