Werke
Paul Talkebarth! wo kommst du daher des Weges?«
Albert wandte sein Pferd und gewahrte, wie der Reiter, der, von ihm nicht sonderlich beachtet, soeben vorbeigetrabt war, bei seinem Reitknecht stillhielt und die Backen der ansehnlichen Fuchsmütze, womit sein Haupt bedeckt, auseinander schlug, so daß alsbald das ganze wohlbekannte, im schönsten Zinnober gleißende Antlitz Paul Talkebarths, des alten Reitknechts des Obristen Viktor von S., zum Vorschein kam.
Nun wußte Albert auf einmal, was ihn so unwiderstehlich von Lüttich fortgetrieben nach Aachen, und er konnte es nur gar nicht begreifen, wie der Gedanke an Viktor, an seinen innigsten geliebtesten Freund, den er wohl in Aachen vermuten mußte, nur dunkel in seiner Seele gelegen und zu keinem klaren Bewußtsein gekommen war. –
Auch Albert rief jetzt: »Sieh da! Paul Talkebarth, wo kommst du her? – wo ist dein Herr?«
Paul Talkebarth kurbettierte aber sehr zierlich heran und sprach, die flache Hand vor der viel zu großen Kokarde der Fuchsmütze, militärisch grüßend: »Alle Donnerwetter, Paul Talkebarth, ja, das bin ich, mein gnädigster Herr Obristleutnant. – Böses Wetter hierzulande, Zermannöre! (sur mon honneur). Aber das macht die Kreuzwurzel. Die alte Liese pflegte das immer zu sagen – ich weiß nicht, ob Sie die Liese Pfefferkorn kennen, Herr Obristleutnant; sie wohnt in Genthin, wenn man aber in Paris gewesen ist und den Muffel im Schartinpland (jardin des plantes) gesehen hat – Nun, was man weit sucht, findet man nah, und ich halte hier vor dem gnädigen Herrn Obristleutnant, den ich suchen sollte in Lüttich. Meinem Herrn hat’s der Spirus familus (spiritus familiaris) gestern abend ins Ohr geraunt, daß der gnädige Herr Obristleutnant in Lüttich angekommen. Zackernamthö (sacre nom de Dieu), das war eine Freude! – Nun, es mag sein, wie es will; aber getraut habe ich dem Falben niemals. Ein schönes Tier, Zermannöre, aber pur kindisches Wesen, und die Frau Baronesse tat ihr möglichstes, das ist wahr – Liebe Leute hierzulande, aber der Wein taugt nichts, und wenn man in Paris gewesen ist! – Nun, der Herr Obrist hätte ebensogut einziehen können wie einer durch den Argen Trumph (Arc de triomphe), und ich hätte dem Schimmel die neue Schabracke aufgelegt – Zacker, der hätte die Ohren gespitzt! – Aber die alte Liese (es war meine Muhme in Genthin), ja, die pflegte immer zu sagen – Ich weiß nicht, Herr Obristleutnant, ob Sie« –
»Daß die Zunge dir erlahme,« unterbrach Albert den heillosen Schwätzer, »dein Herr ist in Aachen, so laß uns schnell vorwärts, wir haben noch über fünf Stunden Weges!«
»Halt,« schrie Paul Talkebarth aus Leibeskräften, »halt, halt, gnädigster Herr Obristleutnant, das Wetter ist schlecht hierzulande; aber Futter! wer solche Augen hat wie wir, die blitzen im Nebel« –
»Paul,« rief Albert, »mache mich nicht ungeduldig, wo ist dein Herr? – nicht in Aachen?«
Paul Talkebarth lächelte dermaßen freudig, daß sein ganzes Antlitz zusammenfuhr in tausend Falten wie ein nasser Handschuh, streckte dann den Arm weit aus, zeigte nach den Gebäuden hin, die hinter einem Gehölz auf einer sanft emporsteigenden Anhöhe sichtbar wurden, und sprach: »Dort in jenem Schloß –« Ohne abzuwarten, was Paul Talkebarth noch Weiteres zu schwatzen geneigt, bog Albert ein in den Weg, der seitwärts von der Heerstraße ab nach dem Gehölz führte, und eilte fort im schärfsten Trab. – Nach dem wenigen, was er gesprochen, muß der ehrliche Paul Talkebarth dem geneigten Leser als ein etwas wunderlicher Kauz erscheinen. Es ist nur zu sagen, daß er, Erbstück des Vaters, dem Obristen Viktor von S., nachdem er Generalintendant und Maitre des Plaisirs aller Spiele und tollen Streiche seiner Kinderjahre und des ersten Jünglingsalters gewesen, von dem Augenblick an gedient hatte, als dieser zum erstenmal den Offizierdegen umgeschnallt. Ein alter sehr absonderlicher Magister, der Hofmeister des Hauses zwei Generationen hindurch, vollendete durch alles, was er dem ehrlichen Paul Talkebarth an Unterricht und Erziehung zufließen ließ, die glücklichen Anlagen zu außerordentlicher Konfusion und seltner Eulenspiegelei, womit diesen die Natur gar nicht karg ausgestattet. Dabei war letzterer die treueste Seele, die es auf der Welt geben kann. Bereit, für seinen Herrn jeden Augenblick in den Tod zu gehen, konnte weder hohes Alter, noch sonst irgendeine Betrachtung den guten Paul abhalten, mit seinem
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