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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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bringen sollte. Der Baron und Reinhold schienen höchlich mit mir zufrieden und drangen in mich, ja des tiefsinnigen Hermogen mich mit aller Kraft, die mir zu Gebote stehe, anzunehmen. Noch war es mir aber nicht möglich geworden, auch nur ein einziges Wort mit ihm zu sprechen, denn sichtlich wich er jeder Gelegenheit aus, mit mir allein zu sein, und traf er mich in der Gesellschaft des Barons oder Reinholds, so blickte er mich auf so sonderbare Weise an, daß ich in der Tat Mühe hatte, nicht in augenscheinliche Verlegenheit zu geraten. Er schien tief in meine Seele zu dringen und meine geheimste Gedanken zu erspähen. Ein unbezwinglicher tiefer Mißmut, ein unterdrückter Groll, ein nur mit Mühe bezähmter Zorn lag auf seinem bleichen Gesichte, sobald er mich ansichtig wurde. – Es begab sich, daß er mir einmal, als ich eben im Park lustwandelte, ganz unerwartet entgegentrat; ich hielt dies für den schicklichen Moment, endlich das drückende Verhältnis mit ihm aufzuklären, daher faßte ich ihn schnell bei der Hand, als er mir ausweichen wollte, und mein Rednertalent machte es mir möglich, so eindringend, so salbungsvoll zu sprechen, daß er wirklich aufmerksam zu werden schien und eine innere Rührung nicht unterdrücken konnte. Wir hatten uns auf eine steinerne Bank am Ende eines Ganges, der nach dem Schloß führte, niedergelassen. Im Reden stieg meine Begeisterung, ich sprach davon, daß es sündlich sei, wenn der Mensch, im innern Gram sich verzehrend, den Trost, die Hilfe der Kirche, die den Gebeugten aufrichte, verschmähe und so den Zwecken des Lebens, wie die höhere Macht sie ihm gestellt, feindlich entgegenstrebe. Ja, daß selbst der Verbrecher nicht zweifeln solle an der Gnade des Himmels, da dieser Zweifel ihn eben um die Seligkeit bringe, die er, entsündigt durch Buße und Frömmigkeit, erwerben könne. Ich forderte ihn endlich auf, gleich jetzt mir zu beichten und so sein Inneres wie vor Gott auszuschütten, indem ich ihm von jeder Sünde, die er begangen, Absolution zusage; da stand er auf, seine Augenbraunen zogen sich zusammen, die Augen brannten, eine glühende Röte überflog sein leichenblasses Gesicht, und mit seltsam gellender Stimme rief er: »Bist du denn rein von der Sünde, daß du es wagst, wie der Reinste, ja wie Gott selbst, den du verhöhnest, in meine Brust schauen zu wollen, daß du es wagst, mir Vergebung der Sünden zuzusagen, du, der du selbst vergeblich ringen wirst nach der Entsündigung, nach der Seligkeit des Himmels, die sich dir auf ewig verschloß? Elender Heuchler, bald kommt die Stunde der Vergeltung, und in den Staub getreten wie ein giftiger Wurm, zuckst du im schmachvollen Tode, vergebens nach Hilfe, nach Erlösung von unnennbarer Qual ächzend, bis du verdirbst in Wahnsinn und Verzweiflung!« – Er schritt rasch von dannen, ich war zerschmettert, vernichtet, all meine Fassung, mein Mut war dahin. Ich sah Euphemien aus dem Schlosse kommen mit Hut und Shawl, wie zum Spaziergange gekleidet; bei ihr nur war Trost und Hilfe zu finden, ich warf mich ihr entgegen, sie erschrak über mein zerstörtes Wesen, sie frug nach der Ursache, und ich erzählte ihr getreulich den ganzen Auftritt, den ich eben mit dem wahnsinnigen Hermogen gehabt, indem ich noch meine Angst, meine Besorgnis, daß Hermogen vielleicht durch einen unerklärlichen Zufall unser Geheimnis verraten, hinzusetzte. Euphemie schien über alles nicht einmal betroffen, sie lächelte auf so ganz seltsame Weise, daß mich ein Schauer ergriff, und sagte: »Gehen wir tiefer in den Park, denn hier werden wir zu sehr beobachtet, und es könnte auffallen, daß der ehrwürdige Pater Medardus so heftig mit mir spricht.« Wir waren in ein ganz entlegenes Boskett getreten, da umschlang mich Euphemie mit leidenschaftlicher Heftigkeit; ihre heißen, glühenden Küsse brannten auf meinen Lippen. »Ruhig, Viktorin,« sprach Euphemie, »ruhig kannst du sein über das alles, was dich so in Angst und Zweifel gestürzt hat; es ist mir sogar lieb, daß es so mit Hermogen gekommen, denn nun darf und muß ich mit dir über manches sprechen, wovon ich so lange schwieg. – Du mußt eingestehen, daß ich mir eine seltene geistige Herrschaft über alles, was mich im Leben umgibt, zu erringen gewußt, und ich glaube, daß dies dem Weibe leichter ist als Euch. Freilich gehört nichts Geringeres dazu, als daß außer jenem unnennbaren unwiderstehlichen Reiz der äußern Gestalt, den die Natur dem Weibe zu spenden vermag, dasjenige

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