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Wir brechen die 10 Gebote und uns den Hals

Wir brechen die 10 Gebote und uns den Hals

Titel: Wir brechen die 10 Gebote und uns den Hals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Karl
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fünf Uhr nachmittags und halb vier Uhr morgens am produktivsten war, hat mich schwer beeindruckt. Er aß gerne Ente in Orangensauce und Pilzsuppe, und als kleiner Junge wollte er nichts Geringeres als der Königder Welt werden. Ich begegnete einem Mann, der hin- und hergerissen war zwischen dem Wunsch, einen Megaseller zu landen und damit reich und berühmt zu werden, und dem Anspruch, etwas von dauerhafter Qualität zu schreiben, und der an dem Versuch, beides zu vereinen, fast zerbrochen wäre. Der genau wie seine Romanhelden nach außen hin vor Selbstbewusstsein strotzte und doch tief in seinem Inneren durch die Ausbeutung seiner Seele Höllenqualen litt. Einem Mann, den seine Freunde für einen guten Menschen hielten und von dem Ernest Hemingway sagte, er habe keinen treueren Freund gehabt als Scott Fitzgerald – wenn er nüchtern war. 4
    Zelda berichtete mir von ihrem Traum, Primaballerina zu werden und ansonsten zu leben und zu lieben und zu sterben, wie es ihr beliebte. Von der Unmöglichkeit, mit einem Trinker und Träumer zu leben, von ihren Kämpfen um Eigenständigkeit und Selbstverwirklichung und wie wenig sie Ernest Hemingway leiden mochte. Mit den Fitzgeralds auf große Fahrt zu gehen, führt nicht nur in die Archive der altehrwürdigen Universität Princeton oder nach South Carolina zur größten Fitzgerald-Sammlung in den USA, sondern vor allem in die schönsten Städte der Welt, nach New York, Paris und London, zu Sommerhäusern, Stadtapartments und Hotelzimmern in Südfrankreich und den Hamptons auf Long Island. Die Fitzgeralds sind dabei der beste Reiseführer, haben sie doch beinahe jedes Hotel, in dem sie abgestiegen sind, literarisch verewigt. Sie hatten stets einen Hang zu Luxushotels, egal wie knapp sie bei Kasse waren. Ich denke, sie wären wenig begeistert, wenn sie wüssten, dass ihr New Yorker Hauptquartier, das Plaza Hotel, heute statt aus Suiten vor allem aus den unvermeidlichen »Condos« für Superreiche besteht. Dass an der Stelle, an dem das legendäre Garden of Allah Hotel in Hollywood stand, heute ein McDonald’s ist und das Beau Rivage in Nizza statt mit Chesterfield-Sofas jetzt mit Designermöbeln protzt. Und darüber, dass das Anwesen auf Great Neck, das Fitzgerald einst zu seinem Jahrhundertroman »Der große Gatsby« inspirierte, 2011 von Baggern platt gemacht wurde, um den Grund zu parzellieren und teuer zu verkaufen, hätten sie sich wahrscheinlich ebenso empört, wie es die New York Times tat.
    In Hunderten von Briefen haben Zelda und F. Scott Fitzgerald dokumentiert, wie viel ihnen dieses gemeinsame Leben abverlangte und was sie dazu trieb, Entscheidungen zu fällen, die ihnen die Nachwelt heute zum Vorwurf macht. Auch in ihren literarischen Texten beschriebensie ihr Leben, ließen ihre Figuren aber auch Dinge tun und sagen, zu denen sie sich in der Realität außerstande sahen. Ihre Geschichten waren immer auch Nachrichten an den andern. Es war ihre Art, miteinander zu kommunizieren, auf Verletzungen hinzuweisen und Warnungen auszusprechen, keine weitere Grenze zu überschreiten. Dass sie diese Warnungen allesamt ignorierten und rast- und rücksichtslos weitermachten, führte schließlich dazu, dass aus Hotelbetten Klinikbetten wurden und aus Hausangestellten Krankenschwestern. Pietro Citati schrieb in seinem Essay über das Paar: »Zelda und Scott Fitzgerald waren sich zu nah, so nah, wie Menschen einander selten sind; und das Übermaß an Nähe zwischen Göttern und Menschen, wie zwischen Männern und Frauen, verbrennt die Herzen und die Leben. (…) Sie waren ein und dieselbe Person, mit zwei Herzen und zwei Köpfen; und diese Herzen und Köpfe wandten sich leidenschaftlich zueinander, gegeneinander, bis sie in einem einzigen Feuer brannten.« 5
    Zelda und F. Scott Fitzgerald waren zwei Seiten einer Medaille. Nichts und niemand hätte sie aufhalten können. Sie standen einander in nichts nach, nicht an verrückten Ideen, nicht an Egozentrik, nicht an Kreativität. Hätten sie gewusst, wie alles enden würde, hätten sie wohl dennoch keinen Tag anders gelebt. Ihre Tochter Scottie hat einmal über sie gesagt: »Ich glaube, in den Jahren, in denen sie glücklich waren, haben sie sich mehr amüsiert und mehr erlebt als die meisten Leute in ihrem ganzen Leben. Und für diese Qualität ihres Lebens mussten sie eben mit einem frühen Tod bezahlen.« 6
    * * *
    Ich bin mittlerweile an der französischen Riviera angekommen. Juanles-Pins ist das Ende meiner Reise. Ein letztes

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