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Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Titel: Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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zwangsläufig dazu, dass Reacher sich hier aufhielt. Und ebenso zwangsläufig waren deshalb auch die beiden Typen hier, die er beobachtete. Denn die Dynamik der Großstadt brachte es ebenfalls mit sich, dass ein viel versprechendes neues Unternehmen früher oder später Besuch im Auftrag von irgendjemandem bekam, der jede Woche dreihundert Dollar haben wollte, damit er seine Jungs nicht losschickte und es mit Baseballschlägern und Axtgriffen zu Kleinholz zerlegen ließ.
    Die zwei Typen, die Reacher beobachtete, standen unmittelbar vor der Bar und redeten leise mit dem Inhaber. Die in der einen Ecke des Raums aufgebaute Bar war mehr Schein als Sein. Sie bildete ein rechtwinkliges Dreieck mit einer Schenkellänge von etwa zwei bis zweieinhalb Metern. Es war keine Bar im eigentlichen Sinn, denn niemand setzte sich dort hin, um irgendwas zu trinken. Sie diente eher als
Blickfang. Außerdem wurden dort die Schnapsflaschen aufbewahrt. In Dreierreihen standen sie auf den gläsernen Regalen vor einer mit Sandstrahlgebläse behandelten Spiegelwand. Die Kasse und das Kreditkartenlesegerät befanden sich auf dem untersten Brett. Der Inhaber, ein kleiner, nervöser Mann, war zum Scheitelpunkt des Dreiecks zurückgewichen, bis er mit dem Hinterteil an die Schublade der Kasse stieß. Er hatte die Arme verschränkt, wirkte verkrampft, abweisend. Reacher sah seinen Blick. Er war teils ungläubig, teils panisch, während er sich nach allen Seiten umschaute.
    Es war ein großer Raum, gut und gern achtzehn bis zwanzig Meter lang und ebenso breit. Die Decke war etwa sechs bis sechseinhalb Meter hoch. Sie war mit Zinkblech verkleidet, das mittels Sandstrahlgebläse matt geschliffen worden war. Das Haus war über hundert Jahre alt, und den Raum hatte man im Lauf der Zeit vermutlich für alle möglichen Zwecke genutzt. Anfangs war hier vielleicht eine Fabrik gewesen. Die zahlreichen Fenster waren so hoch, dass zu einer Zeit, da in der Stadt kein Gebäude über mehr als fünf Stockwerke verfügte, genügend Licht für einen Industriebetrieb hatte einfallen können. Danach hatte er womöglich als Geschäft oder Lagerraum gedient. Vielleicht sogar als Ausstellungshalle eines Autohändlers. Jetzt war hier ein italienisches Restaurant. Nicht der typische Italiener mit karierten Tischdecken und der von Mama höchstpersönlich zubereiteten Soße, sondern ein Lokal, in dessen helle, avantgardistische Ausstattung gut und gern dreihunderttausend Dollar investiert worden waren und in dem man sieben oder acht von Hand gemachte Ravioli auf einem großen Teller vorgesetzt bekam. Das nannte sich dann eine Mahlzeit. Reacher hatte in den vier Wochen seit der Eröffnung zehnmal hier gegessen, und immer war er hinterher noch hungrig gewesen. Aber die Küche war so gut, dass er anderen Leuten davon erzählte, und das wollte etwas heißen, denn Reacher
war keineswegs ein Feinschmecker. Das Lokal nannte sich Mostro’s, was seines Wissens nach auf Italienisch so viel wie Monster hieß. Er war sich nicht ganz sicher, worauf sich der Name bezog. Bestimmt nicht auf die Größe der Portionen. Aber er hatte einen gewissen Klang, und das Mobiliar aus hellem Ahornholz, die weißen Wände und der matte Aluminiumglanz verliehen dem Lokal eine durchaus reizvolle Atmosphäre. Die Leute, die hier arbeiteten, waren freundlich und kompetent. Auf einer hervorragenden Anlage mit ausgezeichneten, hoch an den Wänden angebrachten Lautsprechern wurden ganze Opern von Anfang bis Ende abgespielt. Reacher war zwar kein Fachmann, aber seiner Meinung nach erlebte er hier die ersten Anfänge eines Lokals, das es dereinst zu einem großen Namen bringen könnte.
    Bislang allerdings verbreitete sich die Kunde offensichtlich eher langsam. Dass in dem über dreihundert Quadratmeter großen Raum nur zwanzig Tische standen, ging in Ordnung, weil es zu der kargen, spartanisch-avantgardistischen Ausstattung passte, aber in den vergangenen vier Wochen hatte er noch nie erlebt, dass mehr als drei Tische besetzt waren. Einmal war er sogar ganze anderthalb Stunden lang der einzige Gast gewesen. Auch heute gab es außer ihm nur ein Pärchen, das fünf Tische weiter zu Abend aß. Sie saßen sich gegenüber, so dass er sie nur von der Seite sehen konnte. Der Typ war mittelgroß. Kurze rotblonde Haare, heller Schnurrbart, hellbrauner Anzug, braune Schuhe. Die Frau war schlank und dunkelhaarig, trug Rock und Jackett. Eine Aktentasche aus Kunstleder lehnte neben ihrem rechten Fuß am Tischbein. Die

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