Zeiteise in Technicolor
erleichtert auf. Jetzt würde die Zeit im zwanzigsten Jahrhundert stillstehen, wenigstens für ihn und seine Leute. Wenn sie mit dem Film zurückkehrten, war es immer noch Samstagnachmittag, und sie hatten zwei volle Tage bis zum Montag Zeit. Zum erstenmal war der Druck von ihm genommen.
Etwa vier Sekunden entspannte sich Barney. Dann fiel ihm ein, daß er noch einen ganzen Film zu drehen hatte, und seine Schultern sackten wieder nach vorn.
Das Dröhnen des Traktors schreckte ihn auf. Die Maschine erfüllte die klare Luft mit ihrem Gestank. Barney ging dem Bootsanhänger aus dem Weg und warf einen Blick über die Wiese. Die Lastwagen und Wohnwagen standen wild verstreut da, doch man fuhr bereits die ersten zu einer Wagenburg zusammen. Einige Leute waren zu sehen. Die meisten schienen allerdings noch zu schlafen. Barney war auch müde, aber er wußte, daß er kein Auge zutun konnte, auch wenn er es wollte. Also konnte er ebensogut mit der Arbeit beginnen.
Tex und Dallas hatten sich eben Kissen aus dem Jeep geholt und wollten sich ins Gras setzen, als er herankam. »Fang«, sagte der zu Dallas und warf ihm einen Dollar zu. Dallas holte ihn geschickt aus der Luft. »Ihr könnt selbst losen. Einer von euch begleitet mich zu Jens Lyn, während der andere seinen Schönheitsschlaf nachholen darf.«
»Du gehst mit«, sagte Dallas zu Tex, doch dann fluchte er, als er George Washingtons Porträt sah. Tex lachte einmal kurz auf und legte sich dann hin.
»Ich weiß noch nicht einmal, wo wir sind«, beschwerte sich Dallas.
»Auf den Orkney-Inseln«, erwiderte Barney und beobachtete die Möwen, die vor ihnen in die Luft schnellten.
»In Geographie war ich schon immer schwach.«
»Die Orkneys sind eine kleine Inselgruppe nördlich von Schottland – etwa auf dem gleichen Breitengrad wie Stockholm.«
»Nördlich von Schottland – das glauben Sie selbst nicht! Ich war im Krieg in Schottland stationiert, und da sah ich die Sonne ein einziges Mal durch ein Wolkenloch. Außerdem war es eiskalt.«
»Gewiß, gewiß, aber das war im zwanzigsten Jahrhundert. Wir befinden uns jetzt im elften Jahrhundert und mitten in einer optimalen Klimalage. Zumindest behauptet das der Professor, und du kannst ihn ja fragen, wenn du mehr darüber wissen willst. Das Wetter war – oder ist – wärmer, darauf läuft es hinaus.«
»Kaum zu glauben«, meinte Dallas und sah mißtrauisch die Sonne an, als erwartete er, sie würde jeden Moment erlöschen.
Das Haus hatte sich seit ihrem letzten Besuch nicht verändert, und einer der Diener saß an der Tür und wetzte ein Messer, als sie näherkamen. Er sah verwundert auf, ließ den Wetzstein fallen und rannte ins Haus. Einen Augenblick später erschien Ottar und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund.
»Willkommen«, rief er, als der Jeep bremste. »Freut mich, daß ihr hier seid. Wo ist Jack Daniels?«
»Der Sprachunterricht scheint geklappt zu haben«, meinte Dallas. »Aber den Durst hat er behalten.«
»Es ist genug zu trinken da«, versicherte ihm Barney. »Aber ich möchte zuerst mit Dr. Lyn sprechen.«
»Er ist hinten«, sagte Ottar. Dann hob er die Stimme zu einem Brüllen. »Jens – kom hingat!« 1
Jens Lyn schlurfte müde um die Ecke des Hauses. Er schleppte einen primitiven Holzeimer. Seine Füße waren nackt, und er war bis zu den Hüften lehmverschmiert. Bekleidet war er mit einem zerlumpten Sack, der um die Hüften von einem Streifen Rohleder festgehalten wurde. Sein Haar war schulterlang und sein Bart ebenso eindrucksvoll wie der von Ottar. Als er den Jeep sah, blieb er stocksteif stehen. Seine Augen weiteten sich, er stieß einen rauhen Schrei aus, wirbelte den Eimer über dem Kopf und rannte auf sie zu. Dallas sprang aus dem Jeep.
»Langsam, Doc«, sagte er. »Legen Sie den Eimer weg, bevor Sie jemand damit verletzen.«
Die Worte oder vielleicht auch die Haltung des Revolvermannes drangen langsam durch die Wut des Philologen. Er blieb stehen und senkte den Eimer. »Was ist los?« schrie er. »Wo wart ihr so lange?«
»Wir haben natürlich alles für den Film vorbereitet«, sagte Barney. »Wir schafften es in ein paar Tagen, aber natürlich, für Sie waren es zwei Monate …«
»Zwei Monate!« brüllte Lyn. »Mehr als ein Jahr! Wie konnte das geschehen?«
Barney zuckte mit den Schultern. »Ich schätze, der Professor hat einen Fehler gemacht. Die vielen Instrumente …«
Jens Lyn knirschte mit den Zähnen, daß man es bis in den Jeep hörte. »Ein Fehler – damit
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