Zoe und der maechtige Tycoon
zu ihrem viel zu frühen Tod heiß geliebt worden war. Und Kat, Sophie und Annie hatten ihre Mutter Tilly.
Sie gehörte zu niemandem. Und nun wusste Zoe auch endlich, warum sie sich immer anders gefühlt hatte. Es war nicht einfach nur ein Gefühl, sondern die nackte, kalte Wahrheit.
„Ich möchte, dass du nach New York gehst“, riss Oscars Stimme sie aus ihren trüben Gedanken. Er holte eine Lederbrieftasche aus der Schreibtischschublade, die ein Erster-Klasse-Flugticket enthielt. „Du kannst im Balfour-Penthouse wohnen, solange du willst“, fügte er freundlich hinzu.
Zoe nahm die Brieftasche an sich. Ihre Nägel gruben sich in das weiche Leder, während sie um Fassung rang. „Warum willst du, dass ich nach New York fliege?“, fragte sie tonlos und hörte sogar selbst die unausgesprochene Frage, die dahinter stand.
Warum willst du mich loswerden?
Oscar seufzte erneut und fuhr sich mit der Hand über die Augen. „Nach Olivias und Bellas offen ausgetragenem Streit habe ich mir das Tagebuch deiner Mutter noch einmal selbst vorgenommen. Und was ich da gelesen habe, Zoe, vermittelt mir einen ziemlich genauen Eindruck darüber, wer dein biologischer Vater …“
„Du weißt es?“, stieß sie heiser hervor. „Du kennst seinen Namen? Wer ist es?“
Mit dem Kinn wies Oscar in Richtung der Brieftasche. „Die Details stehen alle dort drin. Er lebt in New York. Ich hoffe aufrichtig, dass es dir hilft, ihn zu sehen … und möglicherweise sogar näher kennenzulernen.“
Er machte eine Pause und bedachte seine Tochter mit einem liebevollen Blick, der nicht frei von Sorge war. „Du bist stärker als du denkst, Zoe.“
Gefühlt hatte sie sich seitdem allerdings kein bisschen stark, sondern geradezu erbärmlich schwach. Zu elend, um den Mann zu treffen, für den sie nach Amerika geflogen war. Zu waidwund und ängstlich, um sich auch nur mit den Gästen der Vernissage zu unterhalten oder womöglich zu flirten.
Max ließ seinen Blick über die plaudernde Gästeschar in der Kunstgalerie schweifen – für ihn eine homogene Masse heller, verschwommener Schatten. Hatte sich sein Sehvermögen in den paar Stunden nach Verlassen der Praxis bereits derart verschlechtert, oder war es nur eine psychosomatische Reaktion auf die schockierende Diagnose von Dr. Ayers?
Wäre es eine reine Willenssache, würde er jedenfalls alles um sich herum glasklar sehen. Nichts wünschte er sich mehr.
Lässig gegen den rohen Stahlträger des stylischen Lofts gelehnt, wirkte er in seiner Bewegungslosigkeit selbst wie eine extravagante Skulptur.
Er hatte heute Abend nicht herkommen wollen. Dass er trotzdem hier stand, lag einzig und allein daran, dass seine Firma Monroe Consulting eine erhebliche Summe in diese Ausstellung gesteckt hatte. Nach seiner Ankunft im Loft war er in Ruhe die Wände entlang geschritten und hatte die Bilder begutachtet. Dabei bezweifelte er insgeheim, dass es eine gute Idee gewesen war, eine viertel Million Dollar in etwas zu investieren, das er ohne zu zögern als beeindruckend talentfreie Kunst bezeichnen würde. Doch seine Meinung zählte in diesem Metier nicht viel.
Jemand aus seinem Vorstand hatte die Entscheidung bereits vor Monaten getroffen, und er hatte sie unbesehen unterschrieben, da ihn das Thema nicht besonders interessierte. Bisher war er immer viel zu beschäftigt damit gewesen, seine Firma zu leiten, den eigenen Jet zu fliegen und nach der nächsten Schönheit Ausschau zu halten, die sich für eine Zeit an seinem Arm ablichten lassen durfte.
All diese Aktivitäten würden ihm bald auf die eine oder andere Art verwehrt sein. Fliegen konnte er schon jetzt nicht mehr. Der Rest war nur eine Frage der Zeit. Max spürte einen bitteren Geschmack im Mund und versuchte, ihn mit einem Schluck Champagner herunterzuspülen.
„Max!“ Eine Frau umfasste seine Rechte mit beiden Händen und presste sie voller Enthusiasmus, während ihr warmer, viel zu blumiger Duft ihn einhüllte. „Wie tapfer von dir, hier zu erscheinen!“ Ihre Stimme war plötzlich nur noch ein heiseres Wispern. „Wenn man bedenkt …“Sie ließ den halben Satz wirkungsvoll ausklingen.
Doch Max war nicht in der Stimmung, sie so leicht davonkommen zu lassen. Ihre Gesichtszüge konnte er zwar nur schwer ausmachen, doch das aufdringliche Parfum und das beziehungsvolle Flüstern sagten ihm alles, was er wissen musste. Bei ihm stand Letitia Stephens, eine von New Yorks prominentesten Society-Ladies und ein notorisches Klatschmaul.
Mokant
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