Zwölf Wasser Zu den Anfängen
sonst wie selbstverständlich trugen und die mit ihnen verwachsen schien, war auf einmal unangemessen. Die feinen Gesichtszüge der Seguren, die zarten Finger und schmächtigen Schultern, die großen, dunklen Augen waren
richtiger
. Felt stand wie unter einem Bann und konnte sich nicht gegen den Gedanken wehren: Die segurische Erscheinungsform war die angemessene für einen Menschen, alles andere, er selbst eingeschlossen, war Tier. Kersted räusperte sich. Marken nahm die großen Hände auf den Rücken.
»Ob’s ein guter Zeitpunkt ist, das kann man so oder so sehen«, wandte sich Wigo wieder an die Offiziere, »aber Ihr seid zur Kremlid in die Stadt gekommen. Mendron wird die Feierlichkeiten eröffnen, sobald die Theatervorstellung vorüber ist. Dann geht es los, alles zieht durch die Straßen. Überall werden die Feuer angezündet, man feiert, trinkt, singt. Nendsing wird erfreut sein, Herrn Offizier Kersted zu begleiten …«, die jungeSegurin lächelte, »… Telden steht dem Herrn Waffenmeister zur Verfügung.«
Der Kartograf nickte freundlich.
»Lasst Euch die Stadt zeigen, stürzt Euch ins Getümmel – es steht Euch frei. Ich jedenfalls muss ins Theater, und da ich Euer Führer bin, Felt, wird Euch nichts anderes übrig bleiben, als mich zu begleiten. Es sei denn, Ihr wollt in Eurem Quartier bleiben.«
»Ich bin zu allem bereit«, sagte Kersted und zeigte seine weißen Zähne. Mit der jungen Segurin hatte er eine Begleitung ganz nach seinem Geschmack, um ihn musste man sich keine Sorgen mehr machen.
»Ich danke Euch, Wigo«, warf Marken mit Seitenblick auf Kersted ein, »für Eure Fürsorge und freundliche Einladung. Aber wir sind nicht zum Vergnügen hier. Wir bleiben dort, wo die Undae sind.«
»Oh«, machte der Übersetzer, »die Hohen Frauen sind bei Sardes in besten Händen.«
»Verzeiht«, sagte Marken, »aber das möchte ich schon von ihnen selber hören. Ihr entschuldigt.«
»Seid versichert«, sagte Wigo zu Felt, während Marken zu den Undae ging, »Sardes ist höchst vertrauenswürdig. Wenn Ihr Euch auf einen Menschen hier in Pram verlassen könnt, dann auf ihn. Er führt die Leibgarde des Fürsten, solange ich denken kann, er hat auch schon Mendrons Vater gedient und kannte sogar Fürst Palmon persönlich. Ich frage ihn jeden Tag, was er gegen Haarausfall macht, aber er verrät es mir nicht.«
Marken kam zurück.
»Es hat alles seine Ordnung«, sagte er, »wir sind freigestellt bis morgen früh.«
Es hätte noch einiges zu besprechen gegeben, aber als der Diener leise die Tür schloss, war Felt froh, allein zu sein. Die Welsen waren in einem Flügel des Palasts untergebracht, zu dem es nur einen Zugang gab – und dieser Zugang wurde bewacht. Den Offizieren wurden einzelne Zimmer zugewiesen; Gerder, Strommed und Fander teilten sich ein Quartier. Sie waren nicht ausgangsberechtigt, aber guter Dinge. Der beinahe ehrfürchtige Respekt der pramschen Wachen schmeichelte Gerder, und als er das Nachtmahl sah, das man ihnen bereitgestellt hatte, meinte er, in diesem Arrest könne er es aushalten.
Felt sah sich um – das Zimmer musste doppelt so groß sein wie sein Haus in Goradt. Hier war der Fußboden aus hellem Holz, das in einem kunstvollen Muster verlegt worden war. Felt nahm einen Apfel aus einer Obstschale und ging einmal um das mit weißem Leinen gedeckte Bett herum. Einen Kamin sah er nicht, war es in Pram auch im Firsten warm genug? Zurzeit jedenfalls war es das, Felt hatte den ganzen Tag geschwitzt. Er nahm den Apfel zwischen die Zähne, schob den schweren Stoff eines Vorhangs beiseite, und tatsächlich, dort war ein Durchgang. In einem mit Steinfliesen ausgelegten Raum stand ein zierliches Tischchen, darauf Krug und Waschschüssel, sogar Rasierzeug und Tücher. Und eine bronzene Wanne auf Füßen, die wie die eines Greifvogels gearbeitet waren. Felt zog sich aus und stieg ins lauwarme, milchig weiße Wasser, auf dem Blütenblätter schwammen. Er würde duften wie ein Mädchen, wenn er hier wieder rauskäme, aber das war immer noch besser als der Schafsgeruch, der in den geliehenen Kleidern hing und sich mit seinem Körperschweiß zu einem unzumutbaren Gestank verbunden hatte. Er wusch sich und ließ die langen Haare durch die Duftmilch treiben, spielte mit der Zunge an seinem losen Zahn. Dabei dachte er an den Fürsten, der gleichzeitig einen abwesendenund hellwachen Eindruck gemacht hatte, und an Kandor, dessen Welsenhass so groß war, dass er es sogar gewagt
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